Streetfotografie made in Germany


Orte, Menschen und Momente - Ideen und Anleitungen für gute Straßenfotos
von Mario Cuic, Siegfried Hansen, Torsten Köster, Marco Larousse, Christopher Reuter, Fabian Schreyer, Max Slobodda, Nicole Struppert, Kay von Aspern, Martin U Waltz
Rezension von Michael Seirer | 01. Januar 2019

Streetfotografie made in Germany

Streetfotografie - ist sie in Zeiten der DSGVO überhaupt noch realisierbar? Trotz der Verunsicherung, welche die neue Verordnung für Fotografen und Fotografierte gebracht hat, bringt der Rheinwerk-Verlag ein neues Buch zur Stereofotografie heraus. Zehn darauf spezialisierte Fotografen zeigen, wie sie zu guten Aufnahmen kommen, wie sie sich auf ihren Streifzügen verhalten und woran sie erkennen, dass sie das eine Foto geschossen haben.

Nach einer sehr kurzen, sechsseitigen Einführung startet das Buch direkt los. Pro Doppelseite werden jeweils auf der einen Seite ein Foto und auf der gegenüberliegenden ein Erklärungstext des Künstlers abgedruckt. Der Fotograf hat so die Gelegenheit, seine Gedanken, die Entstehungsgeschichte des Fotos und eventuelle Nachbearbeitungsschritte zu beschreiben. Hin und wieder finden sich in kleinerer Ansicht noch eine oder mehrere alternative Versionen der Aufnahme. Immer mit angegeben sind auch der Aufnahmeort und die technischen Daten der Fotografie (Brennweite, Blende, Belichtungszeit, ISO).
Um dem Buch Struktur zu verleihen, wurden alle Fotos in Kategorien wie “Geschichten, die das Leben schreibt”, “Geometrie der Straße”, “Weniger ist mehr” oder “Etwas zum Schmunzeln” eingeteilt. Natürlich darf das Thema “Spiegelungen” in Wasserpfützen oder Fensterscheiben auch nicht fehlen.
Einen oder mehrere der vertretenen Fotografen speziell hervorzuheben, macht bei dieser Auswahl keinen Sinn: Sie sind alle mit sehr guten, teilweise genialen Arbeiten vertreten und zeichnen sich durch jeweils einen typischen Stil aus. Jedem Fotografen wird durch etwa 10 bis15 Bilder die Möglichkeit gegeben, seine besten Werke und damit seinen individuellen Stil im Buch zu präsentieren.

Am Ende des 314 Seiten starken Buchs finden sich noch kurze Portraits der vertretenen Fotografen und eine Übersicht, welche Fotografien von welchem Fotografen sind (“Wer ist Wo”, “Was ist Wo”). Abschließend beinhaltet das Werk noch einen kurzen Abriss der deutschen Rechtslage zum Thema Stereofotografie vom bekannten Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Rau. 
Der sechs Seiten “starke” Einleitungsteil behandelt die Geschichte der Streetfotografie, wichtige Fotografen und gesetzliche Grundlagen der Streetfotografie nur sehr rudimentär und derart oberflächlich, dass man ziemlich ratlos zurückbleibt. Für Leser, die sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt haben, ist nichts Neues dabei und für Neulinge fehlt der Tiefgang zu diesen durchaus wichtigen Themen völlig. So gesehen hätte man das Kapitel entweder wesentlich erweitern oder ganz weglassen können. Insbesondere im Hinblick auf die DSGVO wäre hier eine tiefergehende  Behandlung wünschenswert gewesen. Warum nicht den gut versteckten Teil von Dr. Rau erweitern und ebendort mit einbauen? Manche der Texte zu den Bildern sind sich ähnlich und inhaltlich relativ seicht, oft nur im Sinne von “Da ging ich meine Lieblingsstrecke und hab XY  gesehen…”.  Selten wird erklärt, wie sich ein Bild verändern würde, wenn dieses oder jenes Detail anders gewesen wäre. Aber genau solche Informationen und Variationen würden den Leser weiter bringen. Nur bei einigen Fotos sind alternative Varianten mit abgebildet. Davon würde man sich - ganz im Sinne eines Kontaktabzuges - mehr wünschen. Erfahrene Fotografen erkennen bei den vorgestellten Bildern schnell(er), warum es sich um ein gelungenes Foto handelt. Ein etwas ungeübterer Leser ist vielleicht fasziniert, kann aber nicht genau festmachen, warum. Mehrere Varianten eines Fotos würden hier helfen, die Auswahlkriterien besser herauszuarbeiten, die das eine Foto letztendlich zu dem besten machten.

Streetfotografie ist ein sehr breites fotografisches Genre und kann von einem einzelnen Fotografen wahrscheinlich in seiner Gänze gar nicht repräsentiert werden. Insofern ist die Auswahl von zehn Fotografen sehr gelungen und tut dem Buch gut. Manche der Bilder zeigen ungewöhnliche Ansätze, die die eigene Kreativität anregen. Aus den vielfältigen Themen kann sich der geneigte Leser die für ihn spannendsten oder passendsten auswählen und selbst fotografierend losziehen. Vielleicht beschäftigt sich ein Fotospaziergang nur mit dem Thema Spiegelungen, vielleicht hat man eine Geschichte im Kopf und flaniert im Viertel herum, bis man eine geeignete Stelle dafür gefunden hat. Oder man probiert direkt Umsetzungen der Kapitelüberschriften wie zum Beispiel “Die Geometrie der Straße”. Einige der Fotografien zeichnen sich zusätzlich durch unübliche Kameraeinstellungen aus, wie zum Beispiel Langzeitbelichtungen oder die Verwendung eines Statives. 
Das Buch zeigt gut, wie verschiedene Fotografen zu ihren Bildern kommen: Manche hatten einfach eine Situation antizipiert und abgedrückt, manche eine Bildidee, die sie erst bei wiederholtem Besuchen einer Location umsetzen konnten. Wieder andere sahen Potential in einer Stelle und warteten, bis etwas Passendes, Spannendes passiert. Hier gibt es kein richtig oder falsch. Ein weiterer Pluspunkt: Die meisten der Fotos sind außerdem ohne besonderes Equipment zu realisieren.

Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei auch die Webseite https://germanstreetphotography.com empfohlen. Die von Siegfried Hansen, Marco Larousse und Martin U. Waltz gegründete Gruppe  will Bewusstsein für die Straßenfotografie als Kunstform schaffen und eine Informationsplattform dafür anbieten. Die meisten der Autoren des Buches sind dort versammelt.

„Streetfotografie“ ist ein breites und spannendes fotografisches Genre. Die ausgewählten Fotografen im Buch zeigen, wie unterschiedlich man dieses Genre interpretieren kann und wie aus guten Ideen hervorragende fotografische Umsetzungen entstehen. Die zusammenfassenden Kapitelüberschriften und die teilweise genialen Fotografien regen zum Nachmachen an und man bekommt Lust, die eigene Kamera zu schnappen und raus auf die Straße zu gehen.

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