Shanghai Straßenküchen

von Julia Dautel, Nicole Keller
Rezension von Janett Cernohuby | 27. Januar 2014

Shanghai Straßenküchen

Papierkochbuch war gestern, heute gibt es Caramelized. Nun gut, ganz so pauschalisieren wollen wir dann doch nicht. Dennoch, Caramelized ist die App schlechthin! Mit ihr wird Kochbuchlesen und vor allem Nachkochen zu einem völlig neuen Erlebnis. Es ist das iTunes für die Küche; hier sammelt man seine Kochbücher oder einzelne Rezepte. Hier blättert man schrittweise durch die Anleitungen, kann sich Notizen machen, Einkaufslisten anlegen...
Zugegeben, nur die App bringt noch nicht viel. Man muss sie freilich mit digitalen Kochbüchern füllen. Ein neues Buch, welches nun für Caramelized digitalisiert wurde, ist "Shanghai Straßenküchen" von Nicole Keller und Julia Dautel. Wir waren sehr neugierig, war es doch gleichzeitig das erste Caramelized-Kochbuch, welches wir unter die Lupe genommen haben.

Kleine Küchen und mobile Essstände waren vor einigen Jahren noch ein typisches Bild für Shanghais Straßen. Doch die rasante Entwicklung der Metropole, aber auch politische Entwicklungen, vertreiben diese bunte Straßen-Esskultur. Vermutlich hat die Autorin Recht, wenn sie sagt, wer dies noch erleben will, sollte unbedingt jetzt seine Reise nach Shanghai planen und antreten. Denn schon zwei Jahre nach ihrem Besuch waren über die Hälfte der besuchten Garküchen verschwunden.
Doch zurück zum Anfang. Wie erwähnt stellt das Kochbuch die Shanghaier Straßenküchen vor. Dabei besuchte die Autorin keine großen Ketten oder namhaften Restaurants, sondern mischte sich dabei unter das einfache Volk. Schlichte urige Garküchen, manchmal sogar nur mobile Stände. Ungläubig liest man weiter - hat man das richtig verstanden? Am Straßenrand bei irgendwem essen? Ja, hat man. Und wer Bedenken hinsichtlich der Hygiene hat, dem versichert die Autorin, dass diese völlig unberechtigt sind. Letzte Zweifel ignorierend, liest man weiter und findet sich plötzlich in einer völlig anderen Welt wieder. Denn es werden nicht nur ganz typische chinesische Speisen vorgestellt, sondern auch ihre Verkäufer. Die Autorin sprach mit ihnen, fragte sie nach ihrem Leben, ihren Plänen und ihren Wünschen. Fast werden beim Lesen die Rezepte zweitrangig, weil die Neugier an Menschen und Kultur geweckt ist.

Aber eben nur fast. Denn natürlich soll ein Kochbuch, insbesondere wenn es in einer modernen Applikationsvariante erscheint, in erster Linie zum Kochen der Gerichte anregen.
Das tut es auch. Jeder, der Angst vor der eigenen Zubereitung chinesischer Speisen hat - sei es wegen möglicher exotischer Zutaten, langer und aufwendiger Zubereitung - dem sei gesagt, diese Angst ist unbegründet. Denn bei den Gerichten handelt es sich um einfache Speisen, teilweise Snacks. Ihre Zubereitung ist weder kompliziert, noch aufwendig. Schließlich stammen sie von kleinen Garküchen, denen nicht allzu viele Mittel zur Verfügung stehen. Somit wird auf gewöhnliche Zutaten zurückgegriffen, die größtenteils im gut sortierten Supermarkt zu erhalten sind - oder in Ausnahmefällen im Asia-Shop. Auch spezielle Geräte braucht man nicht, bis auf einen Bambusdämpfer bei dem einen oder anderen Gericht. Man braucht also keine Angst vor komplexen Gerichten haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber nicht, dass die Rezepte keineswegs über Raffinesse oder Originalität verfügen.

Doch worin bestehen nun die Vorteile einer Kochbuch-App gegenüber dem klassischen (Papier-)Kochbuch? Außer von den in der Einleitung erwähnten Aspekten, bietet Caramelized noch weitere, nützliche und bald sicherlich unverzichtbare Extras. Freilich, da wäre die Möglichkeit, sich Notizen zu machen und Einkaufslisten zu erstellen. Doch Caramelized kann mehr. So kann man in den Rezepten zwischen der klassischen, wie in der Printversion vorhandenen, Rezeptansicht als auch einer schrittweisen Anleitung wechseln. Diese schrittweise Anleitung zeichnet sich vor allem darin aus, dass die einzelnen Punkte sehr deutlich voneinander getrennt und zudem in sehr großer Schrift dargestellt werden. Zusätzliche inkludierte Timer helfen dabei, die jeweilige Zieh-, Ruhe- oder Garzeit einzuhalten, ohne auf weitere technische Hilfsmittel zurückgreifen zu müssen. Des Weiteren kann man für jedes Rezept die Zutatenliste für die geplante Personenanzahl umrechnen lassen. Standartmäßig sind die Rezepte für vier Personen ausgelegt.
Noch etwas ist anders, neu, im digitalen Kochbuch: An verschiedenen Stellen wurden kurze Videos eingebunden. Zwei kann man als Vor- und Nachwort bezeichnen, die anderen geben Einblick in spezielle Handgriffe, etwa wie man Baozi, gedämpfte Brötchen, in Form bringt oder Lanzhou-Nudeln zieht. Ein witziges Extra? Nein, ein hilfreiches Extra, von dem man sich nur wünschen kann, dass es zukünftig in vielen Kochbücher bei vielen Rezepten zu finden ist. Denn gerade wenn komplizierte, spezielle oder knifflige Handgriffe auszuführen sind, steht man als Hobbykoch - oder schlimmer, als Gelegenheitskoch - vor einer schwierigen Aufgabe. Immer wieder liest man, was zu tun ist, kann es aber doch nicht richtig verstehen. Das entfällt nun, denn das Video zeigt diese Handgriffe sehr deutlich. Überflüssig, man kann sich das ja auf Youtube ansehen? Nun, ganz ehrlich, wer springt während dem Kochen mal eben schnell an den PC (sofern dieser überhaupt läuft), um nach einem Video zu googeln? Das ist eher unwahrscheinlich.

Somit lohnt sich das neue Caramelized-Kochbuch "Shanghais Straßenküchen" in mehrerlei Hinsicht. Man erhält einerseits ein brillantes Kochbuch, mit sehr simplen aber dennoch leckeren und typisch chinesischen Gerichten. Gleichzeitig erfährt man auch sehr viel über die Kultur der Straßen-Garküchen und taucht in eine völlig fremde Welt ein. Andererseits bietet die App zahlreiche Extras, die ein klassisches Kochbuch nicht bieten kann. Somit enthält diese Ausgabe nicht nur viele Gerichte zum nachkochen - auch für nicht so geübte Köche, die trotzdem gerne Neues probieren - sondern auch hilfreiche Tools, dank denen man sich ganz aufs Umsetzen der Rezepte konzentrieren kann.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:
Affiliate Links