GOLD

von Sebastião Salgado, Lélia Wanick Salgado, Alan Riding
Rezension von Michael Seirer | 26. Februar 2020

GOLD

Die weitaus meisten der Bilder, die uns über Werbung und Social Media aufgedrängt werden, zeigen schöne Landschaften, die der Betrachter sehen soll und will: exotische Reiseziele, überwältigende Sonnenuntergänge. Eben die Erde, ihre Landschaften und Regionen in voller Pracht.

Sebastião Salgado zeigt uns eine andere Seite. Eine, die man vielleicht nicht so im Kopf hat, wenn man an die Hochglanzwerbungen denkt. Er führt uns nach Serra Pelada in Brasilien, eine Goldmine die einst die größte der Welt war. 1979 wurde in einem Fluss in der Gegend Gold entdeckt. Geschätzt über 50.000 Goldgräber arbeiteten dort und suchten unter härtesten Arbeitsbedingungen ihr Glück. Um dies zu tun, verließen sie ihre Familien und Heimat, verkauften Hab und Gut und zogen los.
Bereits 1980 wollte Sebastião Salgado dort fotografieren, wurde jedoch von der brasilianischen Militärregierung daran gehindert. An sich konnten die Arbeiter jederzeit gehen, aber das hieße, mit leeren Händen nach Hause zu kommen. Die wenigsten taten das.
Einige wenige glückliche konnte mit einem kleinen Vermögen ihr Leben leben, die große Mehrheit erlag aber nur der Versuchung und blieb arm.
Serra Pelada ist nun, nachdem die Mine ab 1990 kaum noch Erträge lieferte, wieder eine arme Region. Übrig blieben ein 200 Meter tiefer See und eine zerstörte Landschaft.

In eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern zeigt Sebastião Salgado wie hunderte Menschen klein wie Ameisen die Claims bearbeiten. Gewaltige Überblicksperspektiven formen diese Individuen zu einem Strom von Glücksuchenden, wobei doch jeder einzelne Punkt ein Mensch mit Geschichte, Hoffnungen und Träumen ist. Einige der Frontalaufnahmen der Wände machen die fast unmögliche und gefährliche Steigung sichtbar.
Sebastião Salgado aber ist kein externer Betrachter, der aus sicherer Entfernung mit dem Teleobjektiv arbeitet. Nein, er geht mit in die Grube und fotografiert Goldgräber mit einem Weitwinkelobjektiv aus nächster Nähe. Dieses Vorgehen führt zu besonders beeindruckenden Portraits. Auch brenzlige Situationen, wie Stürze oder Konflikte mit der Polizei, sind im Band zu finden.

Die Verwendung von Schwarz-Weiß-Film unterstützt die Dramatik der aufgenommenen Situation. Sebastião Salgado entschied sich bewusst gegen die seit den späten 1970er-Jahren gängigen Farbaufnahmen im Fotojournalismus. Die Sierra Pelada Serie ist Teil seines Langzeitprojektes “Workers: An Archeology of the Industrial Age” welches ebenso wie seine beiden weiteren Projekte “Migrations” und “Genesis” weltweite Bekanntheit erlangte.  
Das einzige, was anzumerken wäre: das Buch wäre vielleicht noch wirkungsvoller geworden, wenn die Fotografien verdichtet und ähnliche Abbildungen weggelassen würden wären.

Es lässt nachdenklich werden: Was hat dieses gelbe Metall an sich, dass so viele Menschen sich in die Fremde begeben und viele Gefahren auf sich nehmen, um etwas davon zu erhaschen? Sebastião Salgados fotografische Dokumentation der Sierra Pelada im Band “Gold” vom TASCHEN Verlag zeigt eindrücklich die Situation in der Mine und den Alltag der Goldgräber. Keine leichte Kost, aber absolut sehenswert!

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