Geek Pray Love

von Andrea Bottlinger, Christian Humberg
Rezension von Stefan Cernohuby | 06. Dezember 2015

Geek Pray Love

Es gibt in unserer Welt immer noch viele unentdeckte, unbekannte oder unverstandene Spezies. Manche davon sind sogar Homo Sapiens Sapiens. Geeks zum Beispiel. Ein Gebiet auf dem es noch immer an Grundlagenforschung und aufklärender Literatur gefehlt hat. Bis zum Tag, an dem Andrea Bottlingers und Christian Humbergs Werk „Geek Pray Love“ erschienen ist, das nicht nur ein praktischer Leitfaden für das Leben, das Fandom und den ganzen Rest sein soll, sondern auch den Deutschen Phantastik Preis 2015 für das beste Sekundärwerk 2015 abräumte.

Manchmal ist es weniger das Problem in eine Marktlücke vorzustoßen und damit erfolgreich zu sein, als diese zu erkennen. Vom Moment der Erkenntnis, dass die Welt ein derartiges Buch unbedingt braucht, berichtet das Vorwort. Eine Definition des Wortes Geek ist gefunden, da springt man schon in den Alltag des (erfolglosen) Protagonisten. Lukas Lang, Schüler, unsportlich, Versager. Aber noch kein Geek. Das soll sich ändern, als er bei der Flucht vor Verfolgern in einer „Star Wars“-Vorführung landet und dabei Phantastikbegeisterte kennenlernt. Bis zum ersten Stammtisch, dem Erkennen seiner Fähigkeiten als Zeichner und der ersten Con sind es allerdings noch viele teils schmerzhafte Schritte nötig, denn seine Peiniger in der Schule machen ihm die Freude an der Phantastik genauso wenig einfach wie seine Eltern, die mit derartig seltsamen Dingen auch nichts anfangen können.
Zwischen den „Realabenteuern“, die den Einstieg in die Szene an einem fiktiven Beispiel illustrieren, werden zahlreiche Erklärungen geliefert. Welche Filme und Medien sind beliebte Einstiegsdrogen und gibt es eine definierte Menge von Subsubkulturen? Die Antworten lauten zusammengefasst „viele“ und „nein“. Auch Begrifflichkeiten für Stammtische und alternative Essensbezeichnungen werden erläutert, sind aber weit weniger interessant als Hintergründe zu Fanzines, Fanfiction, Geek-Zitaten (und wie man diese am besten unterbindet). Selbst ein Persönlichkeitstest darf nicht fehlen, man erhält Tipps für Cosplay und Cons, bekommt einen Einblick in das Konzept Rollenspiel und wertvolle Tipps, wie man einen Geek am besten zum Explodieren bringt. Weibliche Geeks, typische Sammelleidenschaften, gemeinsame Interessen und Zusammenhalt runden den Band ab – genauer gesagt ein witziges Nachwort.

War ein Buch, um Geeks dem Otto-Normalbürger näherzubringen, wirklich notwendig? Ja. Hat dieses Werk die Erwartungen erfüllt? Weit mehr als das. Neben einer amüsant-klischeehaften Rahmenhandlung und vielen relevanten und nicht relevanten (aber gerade deshalb wichtigen) Details, bis hin zu Charakterstudien und Vorlieben, die wie die Faust aufs Auge passen. Wenn man das Buch selbst als Nerd und Geek liest – nicht immer schließen sich die beiden Kategorisierungen aus –, fühlt man sich teilweise ziemlich durchleuchtet. Wenn beispielsweise Platz eins für die Möglichkeit einen Geek auf die Palme zu bringen darin besteht, Jar Jar Binks als Lieblingscharakter der viel besseren zweiten Star Wars Trilogie zu bezeichnen. Noch schlimmer wird es allerdings bei den Sammlerleidenschaften. Woher zum Geier wissen Andrea Bottlinger und Christian Humberg von der signierten Erstauflage von Neil Gaimans „American Gods“ im Besitz des Verfassers dieser Kritk? Wie tief ist es ihnen gelungen, schon vorab in die Köpfe von Geeks, über die sie schreiben, zu schauen? Vielleicht zu tief. Aber zumindest sind nicht alle Geheimnisse Teil dieses Buchs geworden – danke für die Diskretion! Aber dementsprechend bleibt uns nichts anders übrig, als diesem Werk – nicht nur wegen des Deutschen Phantastik Preises 2015, der als einer von wenigen schon vor der Verleihung bekannt war, die Höchstnote ausstellen. Danke! Dieses Buch trägt dazu bei, dass auch wir besser verstanden werden können.

„Geek Pray Love“ von Andrea Bottlinger und Christian Humberg ist mehr als Sekundärliteratur. Es enthält eine amüsante und liebenswerte Geschichte, viele Fakten über Geektum, Fandom und den ganzen Rest und viele völlig unwichtige Details, die aber gerade deshalb wichtig sind – denn Geeks lieben diese genauso. Und hey, sind wir nicht alle Geeks? Unsere Empfehlung: Kaufen!

Details

Bewertung

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