Liebesdienste

von Kate Atkinson
Rezension von Janett Cernohuby | 08. Februar 2009

Liebesdienste

Was ist ein Kriminalroman? Eine Geschichte, deren Ausgangspunkt ein Gewaltverbrechen ist und in der es eine Person gibt, welche diese niederträchtige Tat aufklärt. Diese Aufgabe können ganz unterschiedliche Charaktere übernehmen: Nonnen, Mönche, Polizisten oder Privatdetektive. Voller Spannung verfolgt nun der Leser, wie der Protagonist die einzelnen Puzzleteile zusammensetzt und am Ende den Täter überführen kann.
Manchmal gibt es aber auch Kriminalromane, die zwar die genannten Elemente enthalten, aber doch eigentlich keine solchen sind.

Ray Bradley ist mit dem Auto in Edinburgh unterwegs, als er in einem unachtsamen Moment einen Honda-Fahrer rammt. Dieser ist ganz und gar nicht angetan von dem Zusammenstoß und geht mit einem Baseballschläger auf Ray los. Dank des Eingreifens des mutigen Passanten Martin Canning kommt Ray mit einer Kopfverletzung davon. Jackson Brodie war ebenfalls Zeuge dieses Unfalls. Als einziger der Umstehenden hat er sich das Autokennzeichen des mittlerweile flüchtigen Honda-Fahrers gemerkt. Doch Jackson, der das in diesem Moment nicht weiß, fühlt sich nicht mehr für diese Situation zuständig. Seine Beruf als Polizist und Privatdetektiv hat er schon vor Jahren an den Nagel gehängt. Seitdem er von einer Klientin zwei Millionen Euro geerbt hat, lebt er auf einem kleinen Anwesen in Frankreich und genießt das Leben. Derzeit ist Jackson mit seiner Freundin Julia in Edinburgh. Julia ist Schauspielerin und nimmt hier am Theaterfestival teil. Während ihrer Proben zieht es Jackson auf Erkundungstour in die nähere Umgebung. Als er am Meer spazieren geht, sieht er plötzlich eine Leiche im Wasser treiben. Sofort werden alte Polizeigewohnheiten in ihm wach und er versucht die tote Frau an Land zu ziehen. Aufgrund der aufkommenden Flut misslingt ihm das und so alarmiert er die Polizei. Doch als diese eintrifft, gibt es von der Leiche keine Spur mehr. Auch Taucher können nichts finden. Es entsteht der Verdacht, Jackson habe sich das alles nur eingebildet. Doch er weiß, was er gesehen hat und so beginnt er Nachforschungen anzustellen. Dabei hilft ihm eine Visitenkarte, die er bei der toten Frau gesehen hat. Sofort findet Jackson eine erste heiße Spur...

Dieser Krimi ist keineswegs leichte Kost. Nicht etwa, weil die darin vorkommenden Verbrechen so grausam sind und ihre Aufklärung in irgendwelche menschlichen Abgründe führt. Im Gegenteil. Die Autorin verliert sich immer wieder in schier endlos erscheinenden Ausschweifungen, die mit der Handlung oft sehr wenig zu tun haben. Diese Erzählschwalle beinhalten die unterschiedlichsten Themen. Mal berichten sie von vergangenen Erlebnissen der jeweiligen Person, mal über familiäre Schicksale. Zu Beginn stören diese Abschweifungen nicht, sind stellenweise sogar sehr gut eingebracht. Doch nach der Hälfte des Buches beginnt man sich doch zu fragen, wann die Autorin denn endlich zur eigentlichen Handlung kommt. In eben jener liegt übrigens die nächste Herausforderung für den Leser. Man begleitet vier verschiedene Personen in voneinander unabhängigen Handlungssträngen. Da ist der Schriftsteller Martin Canning, der Zivilcourage zeigt und Ray Bradley vor dem cholerischen Honda-Fahrer rettet; der ehemalige Polizist, der mit seiner Freundin ein paar Tage in Edinburgh verbringen will; die Polizistin Louise Monroe, die im Mordfall der mysteriösen verschwundenen Wasserleiche ermittelt und letztendlich die Gattin des betrügerischen, momentan im Koma liegenden Bauunternehmers Hatter, den die Polizei wegen Geldwäsche und anderer Betrügereien unter Verdacht hat. Alle vier Personen scheinen erste einmal nichts miteinander zu tun zu haben. Doch im Verlauf der Geschichte verflechten sich die einzelnen Schicksale miteinander - sei es auch nur, weil Louise Monroe in einem der Hatter-Häuser lebt - und fügen sich schließlich zu einem Gesamtbild zusammen.
Die Autorin fordert große Geduld vom Leser, wenn das Buch immer weiter voranschreitet, aber die eigentlichen Geschehnisse nicht vorankommen. Der Handlungszeitraum des Romans zieht sich über vier Tage; eine Tatsache, welche die Langatmigkeit der Geschichte noch zusätzlich unterstreicht. Spannung entwickelt sich keine, eher im Gegenteil. Jedes Mal, wenn man glaubt, endlich passiere etwas, driftet die Autorin in neue, endlos wirkende Erzählschwalle über Familiendramen, Urlaubsreisen oder mögliche andere Lebensentwicklungen ab. Zwar interessiert einen mit der Zeit, wie es mit den jeweiligen Einzelschicksalen weitergeht, aber es ist zu keiner Zeit Spannung oder eine wirklich fesselnde Handlung vorhanden.

Insgesamt strahlt der Roman eine gewisse Faszination aus. Sein Aufbau und seine Handlung sind eine Abwechslung zu anderen Krimis. Leider konnte die Geschichte durch viele Abschweifungen vom eigentlichen Kern aber keine Spannung aufkommen lassen. So braucht man viel Geduld und hohe Aufmerksamkeit, um bis zum Ende durchzuhalten.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2007
  • Umfang:
    493 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783426197530
  • Preis (D):
    19,9 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
    Keine Bewertung
  • Erotik:
    Keine Bewertung

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