Eine Frage der Chemie

von Bonnie Garmus
Rezension von Emilia Engel | 03. September 2022

Eine Frage der Chemie

Manchmal muss man einfach seine Frau stehen. Vor allem in Zeiten, in denen Frauen benachteiligt sind, weniger bezahlt bekommen als Männer und diejenigen sind, die sich um die Kinder zu kümmern haben. Nein, es ist nicht die Rede von der Gegenwart, obwohl es nicht abwegig wäre dies anzunehmen, sondern vom Jahr 1960. Ella Zott ist eine toughe junge Frau, eine Expertin in Sachen Chemie und sie wird den Lesern und Leserinnen zeigen, wie sie die Menschen um sie herum aufmischen wird.

Ella Zott ist Chemikerin und das in einer Zeit, in der Frauen allenfalls Laborassistentinnen waren. Doch so schwer es ihnen in dieser männerdominierten Welt auch gemacht wird, Ella steht eisern ihre Frau. Denn sie hat große Ideen und weiß, dass sie wichtige weltbewegende Entdeckungen machen kann und wird. Doch auch wenn sie nach außen hin unverwüstlich scheint, sieht es in ihrem Innern manchmal ganz anders aus. Ella ist niemand, die schnell klein beigibt, wenn ihr das Leben Hindernisse in den Weg wirft. Eines Tages macht sie die außerordentliche Bekanntschaft von Calvin Evans, einem äußerst bekannten Chemiker, der in der Wissenschaft hoch gefeiert wird. Leider sagt man diesem nach, dass er ziemlich exzentrisch und nachtragend ist. Doch eine Ella Zott lässt sich von so etwas nicht abschrecken. Unversehens und unbeabsichtigt verlieben sich die beiden und werden ein Paar, das von jedem beneidet wird. Gemeinsam mit ihrem überaus schlauen und einzigartigen Hund “Halbsieben” sind sie ein perfektes Dreiergespann. Dann geschieht eine Tragödie und Ella muss sich alleine mit einem Kind durchschlagen. Dabei hat sie vieles zu lernen und muss Wege gehen, die ihr nie in den Sinn gekommen wären. Doch sie hat auch einige wenige Menschen an ihrer Seite, die ihr beistehen - und irgendwann auch die ganze Nation. Vielleicht kann Ella Zott doch mehr bewegen, als sie je gedacht hatte. Aber leicht ist es keineswegs.

Bonnie Garmus ist mit “Eine Frage der Chemie” ein außerordentlich unterhaltsames Buch gelungen. Nach der Lektüre versteht man, wie es dieses ohne Probleme in die Bestsellerlisten geschafft hat. Es ist auf so vielen Ebenen unterhaltsam und vielschichtig. Einerseits ist da das Bild der Hausfrauen und Frauen im Allgemeinen in den 1960er Jahren, das hier vor Augen geführt wird. Und wie eine ganz bestimmte Frau sich nicht in eine Schublade stecken lässt und einfach ihr Ding durchziehen will. Zum anderen ist Ella Zott eine Protagonistin, wie man sie nicht oft sieht. Sie scheint eine raue Schale zu haben, hat eine ruppige Art im Umgang mit anderen Menschen. Doch sie ist alles andere als emotionslos. Bei ihr funktionieren Gefühle eben ein bisschen anders. Zudem hatte sie es in ihrem Leben, aber auch Studium, nicht leicht und sie musste lernen, sich durchzuschlagen. Sie hat ein klares Ziel vor Augen. Leider stellt sich ihr einiges in den Weg und ihr Traum wird nicht erfüllt. Letztlich landet sie als kochende Hausfrau im Fernsehen. Doch die fabelhafte Ella Zott macht mit dieser Kochsendung etwas, das nie so gedacht war. Statt einer aufgetakelten Hausfrau mit Cocktail in der Hand und breitem Lächeln zeigt Ella Zott nüchtern wie man mit Hilfe der Chemie ein nahrhaftes, schnelles Essen für die ganze Familie - oder auch die ganze Nation - auf den Tisch bringt. Damit mischt sie die Welt der Hausfrauen gehörig auf.
Das Buch ist aber nicht bitterernst, sondern äußerst unterhaltsam und spannend geschrieben, da die Charaktere großteils so außergewöhnlich sind. Dennoch gibt es Stellen, die einem entsetzt gewahr werden lassen, wie schwierig das Leben und die Karrieren für Frauen in dieser Zeit gewesen sein müssen. Das ist wichtig, denn es macht bewusst, dass es auch in unserer Zeit noch immer viel Ungerechtigkeit gibt, der man die Stirn bieten muss.
Aus verschiedenen Blickwinkeln wird diese Geschichte präsentiert, zumeist von Ella Zott, aber auch in kurzen Kapiteln von Calvin Evans oder anderen erzählt. Die außergewöhnlichste Erzählung erlebt der Leser allerdings von dem Hund "Halbsieben", das alles andere als albern rüberkommt, obwohl man sich das im ersten Moment schwer vorstellen kann.

Alles in allem ist "Eine Frage der Chemie" eine von Anfang bis Ende runde Sache, mit einer tollen Story, außergewöhnlichen Charakteren und unvorhersehbaren Wendungen, die sich am Ende wie in einem Puzzle fabelhaft zusammenfügen und ein großartiges Bild ergeben. Bonnie Garmus hat uns mit ihrem Buch ein wahres Highlight dieses Jahres präsentiert, das wir unseren Lesern und Leserinnen nur wärmstens empfehlen können.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Lessons in Chemistry
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2022
  • Umfang:
    464 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783492071093
  • Preis (D):
    22 €

Bewertung

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