Die verlorenen Blumen der Alice Hart

von Holly Ringland
Rezension von Emilia Engel | 31. August 2019

Die verlorenen Blumen der Alice Hart

Die Sprache der Blume ist eine ganz besondere Möglichkeit, sich anderen mitzuteilen wenn einem die Worte dazu fehlen. Es ist sowohl ein Geschenk Blumen zu bekommen, als auch die Blumen zu verschenken. Doch manchmal reicht die Sprache der Blumen nicht aus. Auf Thornfield hat man sich schon so lange hinter den Blumen versteckt, dass es den Frauen umso schwieriger scheint, Geheimnisse der Familie auszusprechen. Kann Alice diesen Bann brechen und endlich die Wahrheit ans Licht bringen?

Die neunjährige Alice lebt mit ihrer Mutter und ihrem Vater an der Nordküste Australiens. Das Haus ist abgeschieden und zudem will der Vater nicht, dass Alice das Grundstück verlässt. Die Stimmungen von Alice Vater sind unberechenbar, Gewalt stehtan der Tagesordnung. Sowohl Alice als auch ihre schwangere Mutter leiden unter den Schlägen von Clem Hart. Alice einziger Freund ist ihr Hund Toby und Trost ist ihr das unbändige Meer.
Als Alice sich dann eines Tages doch in die Stadt schleicht, findet sie dort eine Bibliothek und in den Büchern einen weiteren Anker in ihrem Leben. Bald darauf sterben ihre Eltern bei einem tragischen Brand im Haus und Alice bleibt mutterseelenallein zurück.
Da taucht ihre Großmutter June auf, von der sie bisher nichts wusste, und nimmt das Mädchen mit nach Hause auf eine Blumenfarm - Thornfield. Thornfield ist schon seit mehreren Generationen im Besitz der Familie. Die Frauen in der Familie haben die Gabe, im heißen und rauen Klima Australiens die Blumen in einer Pracht zum Strahlen zu bringen, die man selten findet. Aber Thornfield ist weit mehr als das - es ist auch eine Auffangstation für Frauen und Mädchen, die in ihrem Leben an Missbrauch und Gewalt von Männern zu leiden hatten.
Der Anfang dort ist für Alice schwer. June und die anderen Frauen, besonders Candy  und Twig, sind ihr eine wahre Familie und versuchen ihr Bestes. Doch es liegen viele Geheimnisse in der Luft und viele unterdrückte Emotionen. Fällt es den Frauen schwer zu reden, so gibt es eine Sprache, die sie alle verstehen und die sie Alice nahebringen: die Sprache der Blumen.
Unter der Last der Familiengeschichte, die vor ihr verheimlicht wird, wächst Alice zu einer jungen Frau heran, erlebt die große Liebe und muss auch Verluste und Verrat einstecken.

“Die verlorenen Blumen der Alice Hart” ist nicht nur die Geschichte von Alice, sondern auch ihre Familiengeschichte, aber auch die Geschichte anderer Frauen, die einen Schicksalschlag erleiden mussten. Wir finden in dem Buch zutiefst tragische Geschichten, angefangen bei Alice und ihrer Mutter. Frauen, die in destruktiven Beziehungen feststecken, Frauen, die die Schuld bei sich suchen, Frauen, die körperlich und seelisch missbraucht wurden. Man darf sich von dem bezaubernden Cover und dem schönen Blumenthema nicht täuschen lassen. Was der Leser hier vorfindet, ist kein Wohlfühlroman sondern ein Buch, das einen mitten ins Herz trifft. Der Roman spielt sich in verschiedenen Lebensstationen von Alice ab, angefangen im Alter von neun Jahren.
Alice hat kein leichtes Leben. Zuerst gibt es den gewalttätigen Vater und dann die Großmutter, die sich in Schweigen hüllt und ihr ihre eigenen Vorstellungen aufdrückt wie Alices Leben aussehen sollte.
Allgemein werden in dem Roman eher negative Beispiele für die männliche Spezies herangezogen. Zum Glück gibt es da vereinzelt doch ein paar wirklich liebenswerte und einfühlsame Männer, sonst wäre die Geschichte doch zu deprimierend. Aber mehr davon hätten dem Buch sicher gut getan. Der Leser folgt Alice auf ihrem Weg und stellt fest, dass sich Muster abzeichnen und wiederholen, die Alice selbst gar nicht auffallen.
Natürlich hat die Protagonistin viel erlebt und zu erleiden gehabt, doch etwas mehr Kraft und Frauenpower - gerade da Alice auf Thornfield aufgewachsen ist - hätten ihr gut getan.
Holly Ringland hat ein Talent dafür, Menschen in eine Geschichte einzuweben, die nur einen Stück des Weges darin vorkommen. So treffen wir viele  interessante Persönlichkeiten. Die Autorin schreibt aus verschiedenen Perspektiven, das gibt einen tollen breit gefächerten Einblick in die vielen verschieden Leben und Kulturen der Handlungsfiguren.
Hervorheben muss man die wundervollen Zeichnungen australischer Blumen, die am Anfang jedes Kapitels zu finden sind.  Es gibt einen kurzen Absatz darüber, wie die Blumen aussehen und wo sie wachsen und natürlich finden wir auch die Bedeutung dieser Pflanzen. Eine wirklich bezaubernde Idee.

“Die verlorenen Blumen der Alice Hart” ist ein Coming-of-Age-Roman über die Kraft des Neubeginns und Frauen, die lernen müssen für sich selbst einzustehen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ein bewegender und mitreißender Roman, der in Australien spielt und der mit vielen tollen Beschreibungen der Landschaft und der Blumen aufwartet.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    The Lost Flowers of Alice Hart
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2019
  • Umfang:
    512 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783809026945
  • Preis (D):
    20 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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