Der Metzger

Der Metzger

von Thomas Raab
Rezension von Stefan Cernohuby | 30. August 2016

Der Metzger

Manchen Leuten ist einfach alles egal. „Wurscht“, wie man in Österreich so schön sagt. Dabei ist Wurst keineswegs irrelevant, sie ist für manche Leute schon beinahe eine Glaubensfrage. Debreziner, Käsekrainer oder gar Frankfurter (woanders auch Wiener genannt), die Entscheidung fällt schwer. Und wenn im Wurstfabrikantenmilieu Todesfälle passieren oder gar Morde, kann man das nicht hinnehmen. Vor allem, wenn man Metzger heißt und gegen seinen Willen in einen Kriminalfall hineingezogen wird. Das passiert in „Der Metzger“ von Thomas Raab.

Es ist schwierig, sich an einem gut sortierten Würstelstand zu entscheiden. Besonders wenn man keine Brille mithat, so wie der Metzger. Als er dabei allerdings Zeuge eines Dramas wird, bei dem nicht nur der Würstelstand zerstört wird, sondern der bekannte Literaturkritiker Miguel Maria Hofer angefahren wird – es scheint danach auch ein Mord im Affekt zu passieren – geht es rund. Doch wie passt das alles mit dem neuen Roman des aufgehenden Krimischriftstellerstars Iwan Ketalpow zusammen, der offenbar der jüngere Sohn des ermordeten Heinz Woplatek ist? Irgendetwas ist daran verkehrt, und offenbar nicht nur der Name des Schriftstellers. Vielleicht sogar die Geschichte des Romans im Roman „Egon fliegt“ von Ketalpow? Denn die Handlung im Roman des Romans wird offenbar von jemand anderem nachgestellt, denn alle Charaktere sind tatsächlich existierenden nachempfunden. Also tatsächlich existent in der Welt des Metzgers, der sich mehr mit Literatur beschäftigt als die letzten Jahre zuvor. Denn er will herausfinden, wie das ganze Puzzle zusammengesetzt aussieht – vor allem da es auch um den bereits verstorbenen Hansi Woplatek geht, den der Metzger schon seit Kindheitstagen gekannt hat. Dies bedeutet mehr Bewegung für ihn, als er in der Regel gewohnt ist.

Manche Bücher verändern sich nach dem Beginn der Handlung und überraschen den Leser durch ihre Wendungen. Auch „Der Metzger“ ist ein solches Buch. Denn die traurige Lebensgeschichte des jungen Woplatek ist nur der Auftakt, zu einem Verwirrspiel sondergleichen. Mit verschiedenen Erzählebenen und verschachtelten Informationen scheint man plötzlich in einen Sumpf aus Mord und Eifersucht zu tappen – genauso wie Willibald Adrian Metzger. Und doch hat man großen Spaß dabei, der Handlung zu folgen. Hinein in die eifersüchtige Welt eines kritischen Hofers, der die ganze Welt kritisiert und dabei auf seinen zweiten Vornamen besteht. Weiter in die Szene der Autoren, denen kommerzieller Erfolg nicht immer recht ist. Und weiter in eine Scheinwelt, in der ein wurstsemmelessender Ermittler namens Krainer den mutmaßlichen Mörder des größten Wurst- und Würstelfabrikanten in dem ihm angemessenen Tempo jagt. Oder ist das alles Teil der Handlung des Romans im Roman innerhalb des Romans? Nun, letztendlich wird der Metzger das sicher herausfinden, gemeinsam mit dem Leser. Und gerade dieser kann relativ zufrieden sein, hat er doch wieder einmal etwas für seine Bildung und seine Unterhaltung getan. Denn jegliche Ähnlichkeiten bei Namensgebungen, verhafteten Wurstfabrikanten und eifersüchtigen Autoren sind natürlich rein zufällig.

„Der Metzger“ ist ein komprimierter Titel, um „Der Metzger muss zum Metzger“ oder Ähnliches zu vermeiden. Und daran hat man gut getan, denn man bekommt mehr und mehr das Gefühl sich in der Gedankenwelt des unkonventionellen Restaurators und Hobbyermittlers zuhause zu fühlen. Selbst wenn es um Literatur geht, die er in der Regel eher meidet. Doch gerade mit seinen mehreren Ebenen vermag das Werk bestens zu unterhalten und zu überzeugen. Ein Pflichtkauf für jeden Fan des Metzgers und von Autor Thomas Raab.

Details

Bewertung

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