Vergeltung

von Julie Hastrup
Rezension von Stefan Cernohuby | 26. Februar 2012

Vergeltung

Wenn einem jemand etwas Böses antut, gibt es mehrere Möglichkeiten damit fertig zu werden. Man frisst es tief in sich hinein und versucht es zu vergessen. Man begibt sich in Psychotherapie und versucht diese Erlebnisse zu verarbeiten. Oder man wählt eine Variante, die meistens für zumindest einen der Beteiligten negative Auswirkungen hat: Man übt Vergeltung. "Vergeltung" ist auch der Titel des aus Dänemark stammenden Bestsellers von Julie Hastrup, der auf unserem Schreibtisch gelandet ist. Grund genug diesen näher unter die Lupe zu nehmen.

Als in einer dänischen Kleinstadt ein brutaler Mord passiert, sind die Ermittler verstört. Die junge Anna wurde gleichzeitig auf drei unterschiedliche Arten getötet. Erschlagen, erstochen und erstickt. Schon dies allein rechtfertigt besondere Fachkompetenz, doch dass die Ermittlerin der Sondereinheit Rebekka Holm hinzugezogen wird; hat noch mehr Gründe. Denn sie selbst ist in diesem Dorf aufgewachsen.
Tatsächlich macht das die Ermittlungen aber keineswegs einfacher für sie. Denn Rebekka hat ihre eigenen Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung. Ihre Mutter spricht immer noch nicht wirklich mit ihr, seit ihre Schwester gestorben ist, und der Gesundheitszustand ihres Vaters ist äußerst fragil. Doch zumindest kommt sie durch Einfühlungsvermögen und viel Hartnäckigkeit der Lösung des Falls näher, während die meisten der örtlichen Kollegen den Mord am liebsten einem stadtbekannten Schläger untergeschoben hätten. Vieles hat mit Annas gestörten Beziehungen zu Männern, ihren Bewunderern und auch mit ihren Eltern zu tun. Und doch muss Rebekka tief graben, bevor sie die tatsächliche Lösung findet. Ein Prozess, der nicht nur die scheinbar heile Welt in der Kleinstadt gefährdet, sondern auch sie selbst in Gefahr bringt. Doch nicht nur Verbrechen selbst werden aufgeklärt, auch diverse Tiefen der Psyche werden tiefer ausgelotet, als es so manchem Leser zusagen wird.

"Vergeltung" ist kein Schwedenkrimi. Warum? Weil er aus Dänemark kommt, so einfach ist das. Am Stil und den Hauptpersonen ändert das allerdings nicht viel. Manches daran ist definitiv markant, um keinen Wiedererkennungswert zu haben. Es gibt keine heile Welt und keine charmante, selbstsichere Ermittlerin, die den Fall im Nu löst. Nein, jeder trägt einen ganzen Rucksack an Komplexen, traumatischen Erfahrungen und einschneidenden Kindheitserlebnissen mit sich. Diese müssen alle gleichzeitig mit dem Fall mit aufgearbeitet werden. So funktioniert ein skandinavischer Krimi und das vorliegende Werk ist keine Ausnahme. Leider ist dieses Stilmittel nicht nur gewöhnungsbedürftig sondern definitiv auch Geschmackssache. Vielen Lesern mag es zusagen, dass es weder im Fall der Ermittler noch bei Nebendarstellern übermächtige und perfekte Helden gibt. Doch andere, darunter auch der Verfasser dieser Rezension, wird es irgendwann schlichtweg ermüden, dass die Geschichte nicht zum Punkt kommt. Besonders die Tatsache, dass die Protagonistin eigentlich als "Spezialistin" angefordert wird, gleichzeitig aber jeder versucht die Ermittlungen schnellstmöglich zu beenden und sie als überflüssig abzuhaken, wird auf Dauer lästig. Ja, nicht nur die eigenen Probleme sind es, mit denen Rebekka kämpfen muss. Da sind auch die lügenden Zeugen, die widrigen äußeren Umstände und dann werfen ihr auch noch ihre Kollegen Knüppel zwischen die Beine...
Grundsätzlich ist der Roman nicht schlecht, auch die letzte Wendung der Handlung kommt beinahe unerwartet. Aber der mühsame Aufbau der Geschichte und das ewige auf der Stelle treten kann einen schier zur Weißglut bringen. Dennoch kann man Liebhabern des skandinavischen Krimis vom Genuss dieser Lektüre nicht abraten, denn das Werk ist sicherlich nicht schlechter als die meisten Vertreter dieses Subgenres.

Alle Fans von Schweden- und skandinavischen Krimis sollten sich nicht davon abschrecken lassen, dass "Vergeltung" von Julie Hastrup aus Dänemark stammt. Denn die Herangehensweise an die Materie ist vergleichbar und sicherlich nicht schlechter als in den meisten vergleichbaren Werken. Der Verfasser dieser Kritik ist allerdings kein Anhänger dieses Subgenres - insofern gilt der Gesamteindruck für all jene, die mit dem typischen Stil mehr anfangen können.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2012
  • Umfang:
    400 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3492272681
  • ISBN 13:
    9783492272681
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung