Am Tiefpunkt genial

von Karoline Cvancara
Rezension von Manfred Weiss | 23. November 2015

Am Tiefpunkt genial

Das Leben verläuft nicht immer geradlinig. Es geht ständig auf und ab, mal ist man oben, dann geht es auch wieder hinunter. Es ist gar nicht so einfach mit beiden Extremen umzugehen . Besonders ist es oft schwer einem Tief wieder herauszukommen oder es sinnvoll zu nutzen. Davon handelt auch ein Roman. Doch "Am Tiefpunkt genial" von Karoline Cvancara ist ein Werk, das es einem nicht leicht macht.

Die Geschichte ist einfach. Paul arbeitet in einer Buchhandlung, der es wirtschaftlich auch schon einmal besser gegangen ist. Er raucht wie ein Schlot und trinkt weit mehr Bier und Wein als ihm gut tut. Sein Leben sind seine CD-Sammlung und die Bücher. Seine Freunde lieben schnelle Autos, mit denen sie über die Höhenstraße rasen und auf der Autobahn schon mal das Gaspedal ihres Ferraris durchtreten. Und dann verlässt ihn auch noch seine Freundin Stefanie und lässt ihn mit einem Designersofa, das er extra für sie angeschafft hat, in seiner Wohnung zurück. Zeit also, um einmal so richtig im Elend zu versinken, sich mit Alkohol, Zigaretten und Musik zuzudröhnen und zu schauen, ob sich aus seinem Leben doch noch was machen lässt.

Und der Leser ist immer hautnah dabei. Schonungslos ereignislos geht es zeitweise dahin. In einer Sprache, die so nüchtern berichtend und kunstlos ist, dass es manchmal weh tut. Aber die Konsequenz, in der Cvancara die Sprache durchhält, gibt dem Buch eine eigene Farbe. Sie ist dem Leben des Haupthelden angepasst. Der Leser ist hin und her gerissen zwischen den steril-nüchternen Beschreibungen, der grausamen Ereignislosigkeit, den immer wieder und wieder gleichen, akribisch beschriebenen Gedanken.

Man bleibt aber trotzdem an dem Buch hängen. Es liest sich leicht, schnell und unaufgeregt. Jeder Ansatz von Ereignis lässt einen leicht atemlos werden, man denkt sich, dass doch irgendwann was passieren müsse. Wenn Paul in den Porsche seines Freundes steigt, der ihm zeigen will, dass nichts besser ist für das Vergessen der eigenen Kümmernisse, als mit Vollgas die Höhenstraße hoch zu rasen, dann wird man merkbar unruhig. Kann das gut gehen?

Fortwährend werden Emotionen und Gedanken gewälzt, aber der Hauptheld und auch alle anderen Figuren bleiben irgendwie gleichgültig. Alle Szenen sind durchweht von Zigarettenhauch, allzu banalen Beziehungs- und Lebensratschlägen. Man fühlt sich in einem der französischen Filme der Achtziger, Neunziger, in denen Dialog weit vor der Handlung stand. Aber es fehlt die Alltagspoesie dieser Filme. Sucht man Humor findet man ihn letztlich nur in der einzigen Fußnote des Buches, die zu erklären versucht, was ein Lercherlschaß ist. Immerhin.

Das Buch ist sein eigener Soundtrack. Zwischen elaboriertem Jazz Name dropping, Bob Dylan und U2. Aber anders als in vielen anderen Büchern, in denen ein hintergründiger Soundtrack gewoben wird, lässt einen hier die Sterilität der Sprache auch gegenüber der Musik teilnahmslos. Alles verschwimmt zudem im muffigen, ungelüfteten Wohnzimmer Pauls in Zigarettenqualm und Alkoholdunst. Dröhnend laute Musik in der Wiederholungsschleife lädt nicht ein, macht nicht neugierig auf ihren Klang.

Die Qualität des Buches liegt jedenfalls in seiner Lesbarkeit. Die Kapitel sind kurz, die Sätze kunstlos aneinander gereiht, verwirren nicht durch Wortgewalt oder komplizierte Satzstrukturen. Kein Buch an dem man stundenlang hängenbleibt oder tief nachwirkt, aber ein Buch, das in hohem Grad kurzweilig lesbar ist. Perfekt für eine Zugfahrt oder einen nicht allzu langen Flug. Die Handlung erschließt sich dem Leser ohne komplexe Zusammenhänge. Die Geschichte wird von Anfang bis Ende erzählt. Cvancara springt nicht, verwirrt nicht. Früh ist erahnbar wohin die Handlung geht. Vor Überraschungen ist man nahezu sicher, am Ende bestätigt, dass die eigene Intuition richtig war.

Wer Geduld beim Lesen hat und Sicherheit in seiner Lektüre sucht, unaufgeregtes Erzählen ohne große Dramen, ohne spannungsgeladene Handlung, wer bereit ist, dem Hauptheld in seinem Elend und seiner Ratlosigkeit ruhigen Geistes zuzusehen, ist bei "Am Tiefpunkt genial" bestens aufgehoben.

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