Off Season

von Christoph Janacs, Peter Schlager
Rezension von Manfred Weiss | 26. Oktober 2015

Off Season

Wenn die Tage kürzer werden, die Erinnerungen an den Sommer sich mit den Erinnerungen an all die Sommer vermischen, die Seen zu kalt zum Baden werden und nur noch dazu da sind um ihren Anblick spazierend zu geniessen, dann wird es Zeit für ein Buch wie 'Off Season'.

Was sehen wir zuerst, die Bilder oder die Texte? Schon der Klappentext verspricht uns Bilder von vielen Seen, kleinen und größeren, großteils im Salzkammergut, doch das das Buch wagt auch einen Blick an den Chiemsee.

Es sind unspektakuläre, feine Bilder. Sie nur dem Begriff Nachsaison zuzuordnen wäre falsch. Es ist wirklich, wie der Titel es verheißt, Off Season. Nimmt man sich beim Betrachten Zeit, kann man seine eigenen Geschichten zu den Bildern erfinden. Zwei leere Bierflaschen auf einem rustikalen, groben Holztisch. Draußen. Die Bänke sind angelehnt, im Hintergrund liegt Schnee. Man kann eine ganze Geschichte dazu erfühlen. Wann wurden die Biere getrunken, was wurde gesprochen? Zwei Freunde, die dann rasch auseinander gingen, sich bald wieder treffen wollten. Dann kam der Herbst, der Winter, aber nicht mehr die Zeit und Muße für ein gemeinsames Bier. Die Flaschen blieben stehen. Im nächsten Frühjahr mögen ihnen weitere folgen. Oder es war eine ganz andere Geschichte. Das Bild fordert auf auch sie zu erleben.

Und so, fast unabhängig von den Orten, an denen die Bilder entstanden sind, entstehen Geschichten. Jeder findet andere Ansatzpunkte, aber es wird sicher helfen, die Seen und die sie umgebende Landschaft zu kennen, zu mögen.

Die Bilder sind nahezu menschenleer. Nur ein Bild mit einem Mann, der an einem Seeufer entlanggeht. Er liest ein Buch. Hat keinen Blick für den See im Hintergrund. Sonst ein paar ferne Figuren, die einem den Rücken zukehren; ein Ruderer, ein paar Schwäne. Still ist es um die Seen. Off Season.

Feine Momentaufnahmen, wie ein eigenartiges Schild, aufgenommen am Wallersee: "Fish naked"? lassen einen auch sich wundernd zurück.

Unterwegs im Buch ist man mit den Bildern alleine, keine Ablenkung durch Orte, die man versuchen kann in der eigenen Erinnerung zu finden, zuzuordnen. Ein Bild mit dem Schild ‘See und Strandbad Mattsee’ als Ausnahme.

Doch wird auch der detailinteressierte Leser nicht enttäuscht. Am Ende des Buchs steht ein gewissenhafter Index, der all den Bildern ihre Orte zuordnet. Eine gute Lösung, weil sie dem mehr an der Stimmung interessierten Leser im Lesefluss ungestört lässt.

Ergänzt werden die Bilder durch feine kurze Texte, die ähnlich wie die Bilder Impressionen, Stimmungen einfangen, kurze Kurzgeschichten von vergangenen Sommern, dem Älterwerden, dem Alleinsein, aber auch dem Abenteuer an Seen zu leben. Reflexionen zum Schwimmen, Laufen. Geschrieben in einem zum Teil mutigen Sprachgebrauch, der den Leser manchmal fast atemlos mitnimmt. Ganzsätze wie "Nun, selber Schuld.", "Nein, besser so." Eine erfreuliche Befreiung vom Zwang der vollen Satzkonstruktion, die sprachlich wunderbar zu der freien Assoziation der Bilder passt.

Ein schönes und stimmiges Buch für Leser und Betrachter. Ein Buch für herbstliche, winterliche Abende, die Zeit geben sehnsuchtsvoll schon an das kommende Frühjahr, den kommenden Sommer zu denken, aber auch noch Platz bieten für die tiefen Molltöne des Herbsts und Winters. Ein Buch, das einlädt hinaus zu gehen und einen Blick auf die Seenlandschaften zu haben, die im Grau und Dunkel liegen. Geschichten, die einladen gelesen zu werden, aber genauso auffordern, die eigenen Geschichten dazu zu tun.

Und in diesem Rausgehen, selbst sehen, die eigenen Geschichten neu zu erleben oder abgeleitet von Dingen, die man sieht, ganz neue Geschichten zu erfinden, liegt auch die Stärke des Buches. Wenn man das Buch zur Seite legt, dann warm anziehen und nichts wie raus und an die frische Luft, den Geruch des Herbstes, Winters selbst genießen. Die Seen sind wunderschöne Beispiele, doch Off Season ist überall, auch in der Natur rund um die Städte. Nichts wie los.

Details

Bewertung

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