Rascha und die Tür zum Himmel

von Julia Willmann, Jens Rassmus (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 25. Oktober 2021

Rascha und die Tür zum Himmel

In einer Familie hat jeder seinen Platz, hat jeder eine Rolle, die man demjenigen aber nicht bewusst gegeben hat, sondern die einfach gewachsen ist. Oma Ima ist in Raschas Familie der ruhige Pool, der alles im Gleichgewicht hält. Sie ist der Fels in der Brandung, der fest auf seinem Platz steht, auch wenn ringsum ein heftiger Sturm tobt. Ihren Felsbrockensätzen widerspricht niemand und wenn gar nichts mehr geht, dann bringen Imas Ofenschlupfer alles wieder ins rechte Lot.

Eine Geschichte von Enkel und Oma, Abschied und Neuanfang

Für Rascha ist seine Oma Ima der liebste Mensch. Er genießt die vielen wunderbaren Momente mit ihr, schätzt die Ruhe, die sie ausstrahlt und liebt es, wenn ihre duftenden Ofenschlupfer alle an den Tisch bringen und man von der Familie nur noch das Schmatzen hört.
Doch eines Tages verkündet Ima, dass sie ins Seniorenheim ziehen will. Sie fühlt sich zu alt und zu schwach, um noch länger die Treppe im Haus zu gehen. Kurz nachdem Ima ausgezogen ist, zieht dafür jemand anderes ein: Leni, Raschas kleine Schwester. Doch das ist nicht das gleiche und die Lücke, die Ima hinterlassen hat, kann nicht gefüllt werden. Rascha besucht seine Ima so oft es geht. Bei einem dieser Besuche hat Ima eine besondere Überraschung für ihn: ein Narrenkleid für die Fastnacht. Doch kurz bevor das ersehnte Fest stattfindet, erhält die Familie eine traurige Nachricht. Ima ist sehr krank. Rascha ist am Boden zerstört, doch Ima verbietet, Trübsal zu blasen. Alle sollen Fastnacht feiern. Es ist einer von Imas Felsbrockensätzen, denen man nicht widersprechen kann. Und während Rascha zum ersten Mal als Narr feiert, macht sich Ima auf zu Opa Karle in den Himmel…

Rascha und die Tür zum Himmel

Sensibel und berührend erzählt

Julia Willmann erzählt eine unglaublich sensible und berührende Familiengeschichte. Es ist eine stille, unaufgeregte Geschichte über Verlust und Neuanfänge. Feinfühlig beschreibt die Autorin den Wandel innerhalb einer Familie. Es gibt Momente des Lachens und Momente des Weinens, die beide fest zusammengehören. Im Mittelpunkt dieser Familiengeschichte steht Rascha, der die Ereignisse auch aus seiner Sicht erzählt. So hat die Leserschaft die Möglichkeit, für eine bestimmte Zeit Teil der Familie zu werden und ist stets mittendrin. Man bekommt Freude und Traurigkeit, Wut und Versöhnung hautnah mit. Vor allem das innige Verhältnis zwischen Rascha und seiner Oma ist deutlich spürbar. Der Junge liebt seine Ima, findet bei ihr Trost, Zuspruch und ermunternde Worte. Auch dann, wenn er in der Schule mal wieder hitzköpfig reagiert und sich mit dem allerblödesten Tim angelegt hat.
Eingebettet ist die Geschichte in die Rottweiler Fastnacht, mit ihrem besonderen Brauchtum. Die Fastnacht ist eine Zeit, in der man ausgelassen ist und in der man noch einmal in vollen Zügen genießt, bevor die Fastenzeit mit alle ihrem Verzicht beginnt. Genau in dieser fröhlichen Zeit muss Rascha sich von seiner Oma für immer verabschieden. Durch die Gegenüberstellung dieser beiden starken Emotionen, Fröhlichkeit und Trauer, wird das eigentliche Thema noch einmal besonders hervorgehoben und spürbarer gemacht. Doch man empfindet keine Traurigkeit während des Lesens. Im Gegenteil, das Buch ist eine Hommage an das Leben und an die Veränderungen, die es mit sich bringt. Es ermutigt und lässt die Leserschaft am Ende mit einem warmen Gefühl im Bauch zurück. Einem Gefühl, wie es Rascha nach einer Portion Ofenschlupfer im Kreis der Familie hat.

Rascha und die Tür zum Himmel

„Rascha und die Tür zum Himmel“ ist eine ganz besondere Familiengeschichte voller Feingefühl und bewegender Momente. Julia Willmann erzählt von Abschied und von Neuanfang, feiert das Leben und berührt die Leserschaft tief drinnen. Ein wirklich wunderbares Buch, das man von ganzem Herzen empfehlen kann.

Details

Bewertung

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