Meine Mutter, die Fee

von Nikola Huppertz, Tobias Krejtschi (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 08. Oktober 2018

Meine Mutter, die Fee

Das Frauenbild hat sich gewandelt und ist insbesondere für Mütter anspruchsvoller geworden. So wird von ihnen erwartet, dass sie nach der Geburt des Kindes so schnell wie möglich wieder in Berufsleben zurückkehren, gleichzeitig müssen sie sich aber auch täglich abrackern, um Kinder, Haushalt und Beziehung unterzubringen. Dieser Druck, diese Belastung führt bei immer mehr Müttern dazu, dass sie sich ausgebrannt fühlen oder in eine schwere Depression verfallen. Die Folge: Immer mehr Kinder leben mit psychisch kranken Eltern. Doch wie nehmen Kinder Depressionen wahr? Wie sieht ihr Alltag aus und wie prägt es sie? Nikola Huppertz und Tobias Krejtschi greifen genau das in ihrem Bilderbuch „Meine Mutter, die Fee“ auf.

Was ist nur mit Mama los?

Fridi ist ganz durcheinander. Schon seit einer Weile beobachtet sie, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmt. „Sie ist verrückt“, sagen die anderen und auch Fridi findet das Verhalten ihrer Mutter immer seltsamer. Morgens steht sie immer seltener auf und liegt mitunter noch im Schlafanzug auf der Couch, wenn Fridi von der Schule heim kommt. Immer öfter schickt sie ihre Schüler, die zum Flötenunterricht kommen, gleich wieder weg. Die Mutter wendet sich immer mehr vom Tageseschehen ab und liegt antriebslos in ihrem Bett. Fridi ist verzweifelt und wütend zugleich. Sie versteht nicht, was mit ihrer Mutter eigentlich los ist. „Deine Mutter ist eine Fee“, sagt ihr Vater eines Tages. Das klingt für Fridi zunächst sehr sonderbar. Sie beginnt, ihre Mutter genauer zu beobachten und kann tatsächlich Feenhaftes in ihr erkennen.

Meine Mutter, die Fee

Großes und emotionales Thema kindgerecht aufbereitet

Depressionen bei Müttern ist kein seltenes Thema, doch es ist ein Tabuthema, über das man nicht gerne sprechen möchte. Man muss es aber, denn gerade betroffene Kinder verstehen nicht, was da in der eigenen Familie passiert. Warum sich ihre Mutter immer mehr zurückzieht, einkapselt und nicht mehr für sie da ist. Das führt zu Ratlosigkeit, zu Enttäuschung, zu Unsicherheit und letztendlich zu Wut. Möglicherweise fühlt sich ein Kind auch schuldig. Auf jeden Fall sollte man es mit diesem großen Thema nicht alleine lassen. Denn nicht nur die an Depressionen leidende Mutter braucht Hilfe, sondern auch das Kind. In der Geschichte ist es der Vater, der seine Tochter tröstet, sie in den Arm nimmt und versucht, ihr diese schwere Situation zu erklären. Dass er genauso darunter leidet, ist an seinem Gesichtsausdruck abzulesen.
Wie sich ein betroffenes Kind fühlt, wie es die Mutter und die gesamte Situation wahrnimmt, das erzählt Nikola Huppertz sehr eindrucksvoll in ihrem Buch. Ihre Worte berühren und gehen dem Leser unter die Haut. Sie zeichnet das Bild einer Familie, die aufgrund der Erkrankung gerade eine schwere Zeit durchmacht. Dabei ist es vor allem das Mädchen, das sehr leidet. Zum einen, weil sie nicht versteht, was mit ihrer Mutter los ist, zum anderen, weil sie von Außenstehenden sehr gemeine Kommentare über die Mutter hört. Beides zusammen führt zu einer belastenden Situation, die der Vater versucht, aufzulösen. Doch dem Mädchen fällt es schwer, seine Erklärungen zu verstehen und für sich anzunehmen.

Meine Mutter, die Fee

Begleitet wird diese emotionale Geschichte von eindrucksvollen Illustrationen. In ihnen liegen der ganze Kummer, der Schmerz und die Verzweiflung von Vater und Tochter. Die grauen, trostlosen und sorgevollen Gesichter sprechen für sich. Der Illustrator arbeitet mit starken Kontrasten. Die Mutter ist sehr dünn, fast schon zerbrechlich dargestellt, wohingegen der Vater wie ein Schrank wirkt, groß und stark. Gegen die Krankheit allerdings ist er machtlos, was durch seine gebeugte Haltung deutlich herüberkommt. Zudem haben Möbel und Gegenstände, die für Wohnkomfort und Bequemlichkeit stehen, harte Kanten. All diese Stilmittel unterstreichen die Thematik und die beklemmende Stimmung.

Meine Mutter, die Fee

Die Geschichte hat ein offenes Ende. Die Mutter ist am Ende nicht geheilt. Sie ist weg. Vater und Tochter sitzen traurig und verloren auf der Couch im Wohnzimmer. Sie trösten sich gegenseitig, versichern sich, dass die Mutter wieder zurückkommen wird. Diese letzte Szene, dieses letzte Bild geht unter die Haut. Es berührt den Betrachter und lässt ihn den ganzen Schmerz, die Hilflosigkeit und die Verzweiflung der beiden ganz deutlich spüren. Sie schenkt aber auch Hoffnung, vor allem durch die Mut machenden Worte des Vaters.

Meine Mutter, die Fee

Depressionen sind keine Laune, sie sind eine schwere und ernstzunehmende Krankheit. Vor allem wenn Familien mit Kindern dadurch betroffen sind, leiden die Kinder besonders stark darunter. Nikola Huppertz‘ Bilderbuch „Meine Mutter, die Fee“ beschreibt auf berührende Weise die Gefühlswelt eines Kindes, dessen Mutter unter Depressionen leidet. Damit tröstet die Autorin nicht nur betroffene Kinder, sie hilft ihnen auch, ihre Gefühle zu greifen und in Worte zu fassen. Das Buch kann als Hilfestellung, als Unterstützung für Gespräche dienen.

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