Kleiner Streuner

von Maria Frazee
Rezension von Janett Cernohuby | 09. Dezember 2020

Kleiner Streuner

Gefühle sind schon eine komplizierte Sache. Manchmal steht man sich selbst im Weg und glaubt, alle hätten sich gegen einen verschworen. Vor allem Kinder können ganz schnell in diese Gedanken hineinrutschen und dann nicht mehr herausfinden. Genauso geht es auch einem kleinen braunen Hund, der eigentlich ganz niedlich ist, aber gleichzeitig auch richtig griesgrämig wirkt.

Wenn man glaubt, die ganze Welt habe sich gegen einen verschworen

Eben jener kleine braune Hund, der kleine Streuner, ist wütend, weil keiner mit ihm spielen will. Aber vielleicht ist sein Zorn der Grund, warum niemand mit ihm spielt? So genau weiß das eigentlich keiner. Griesgrämig schaut der kleine Streuner den anderen Hunden zu, wie sie alle Spaß haben. Nur er hat keinen. Da beschließt er, dass sich das ändern muss. Er nimmt den anderen Hunden ihre Spielsachen weg, die Kuscheldecke und das Kissen. Nun gehört ihm alles und den anderen nichts. Doch Spaß will sich keiner einstellen. Was nun, überlegt der kleine Streuner - ebenso wie die anderen Hunde.

Kleiner Streuner

Offenes Ende

Auf diese letzte Frage gibt es keine Antwort - und das ist von der Autorin ganz bewusst so gewollt. Sie will Kindern mit diesem Buch einen Gedankenanstoß geben und einen Anlass zum Sprechen. Über Gefühle, über die Gedanken der einzelnen Tiere, über sich selbst. Denn was Maria Frazee in dieser Geschichte zeigt, ist ein Abbild der kindlichen Gefühlswelt. Auch unter ihnen gibt es kleine Griesgrame, die wütend am Spielrand sitzen und sich einreden, dass sie von niemandem gemocht werden. Dabei wissen sie lediglich nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Wie sie mit der Unsicherheit und Schüchternheit umgehen sollen. Etwas, das aber auch die anderen Kinder davon abhält, das einzelne Kind zum Spiel einzuladen. Genau das passiert im vorliegenden Bilderbuch. Der kleine Streuner sitzt am Zaun des Hundzwingers und beobachtet alles sehr missmutig. Zunächst scheint es, dass die anderen Tiere nichts mit ihm zu tun haben wollen. Doch im Verlauf der Geschichte zeigt sich, dass die Hunde lediglich verschüchtert sind. Sie wissen nicht, wie sie auf den kleinen Streuner zugehen sollen. Wie sie ihn ansprechen und ihn zum Spielen einladen sollen. So passiert, was wir am Ende sehen: Die Hunde gehen weg, ohne die Situation aufgelöst zu haben. Beide Seiten sind ratlos und hoffen, dass der nächste Tag eine Antwort bringt.
Die Geschichte ist sehr gefühlvoll und akzentuiert erzählt. Wir sehen große Bilder, deren minimalistische Kulisse unseren Blick auf das Wesentliche lenken, nämlich den kleinen braunen Hund. Wie er da so verlassen und einsam am Zaun sitz, während die anderen Tiere in der nächsten Szene fröhlich miteinander spielen. Klare und deutliche Worte begleiten diese Bilder. Sie erzählen gerade mal das Nötigste, während die Illustrationen das nicht Ausgesprochene zeigen. Durch diesen Minimalismus regen das Buch die Betrachter/-innen zum Nachdenken an. Plötzlich beginnen Kinder, die Szenen selbst zu kommentieren. Sie überlegen, warum der kleine Hund so zornig ist. Ein Gespräch beginnt, in dem sie irgendwann eigene Erfahrungen und Erlebnisse einbringen.

Kleiner Streuner

„Kleiner Streuner“ ist ein gefühlvolles und berührendes Bilderbuch mit einem völlig ungewöhnlichen Ende. Es ist ein offenes Ende, das ganz bewusst so gewählt wurde, damit Kinder ins Gespräch kommen und sich Gedanken machen. Denn die Geschichte dieses kleinen, einsamen Hundes greift Erlebnisse aus dem Kinderalltag auf, bringt sie jedoch auf eine Weise rüber, bei der Kinder nicht sofort den Bezug zu sich selbst sehen. Ein großartiges Buch, besonders für kleine missmutige Streuner.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Little Brown
  • Verlag:
  • Erschienen:
    07/2020
  • Umfang:
    40 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    4 Jahre
  • ISBN 13:
    9783848901807
  • Preis (D):
    15,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gefühl:
  • Illustration:

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