Gertrude grenzenlos

Antolin Quiz
von Judith Burger
Rezension von Janett Cernohuby | 04. Februar 2018

Gertrude grenzenlos

Fast drei Jahrzehnte ist es her, dass die Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland geöffnet wurden. Dass die beiden deutschen Staaten wieder zusammenwuchsen und die DDR verschwand. Viele erinnern sich noch an ihre Kindheit, Jugend und ihr Leben in der DDR, doch für die heutige Generation ist es nur noch Stoff aus dem Geschichtsbuch. Wie war also das Leben damals? Durfte man wirklich nicht dorthin reisen, wohin man wollte? Wurde man wirklich so streng vom Staat überwacht? Für viele ist dies kaum vorstellbar, doch Judith Burger will vor allem Kindern ein Gefühl geben, wie der Staat sich in das Leben einmischen konnte. So entstand die Freundschaftsgeschichte "Gertrude grenzenlos".

Von Pionieren, Freundschaft und Staatsfeinden

Die erste Schulstunde hat gerade begonnen, als ein neues Mädchen das Klassenzimmer betritt. Ina sieht gleich, dass die Neue anders ist. Sie trägt Westklamotten und heißt obendrein Gertrude. Die beiden Mädchen sind einander sofort sympathisch, dennoch ist Gertrude sehr verschlossen. Den Grund dafür soll Ina schon bald erfahren. Gertrudes Vater ist Dichter und hat auch schon systemkritische Gedichte geschrieben. Doch damit nicht genug, hat die Familie einen Ausreiseantrag gestellt. Damit sind sie zu Staatsfeinden der DDR geworden. In der Schule leidet Gertrude sehr unter der Willkür der Lehrer. Dennoch steht Ina zu ihr. Sie sieht in Gertrude das Gute, weiß, dass das Mädchen niemandem etwas Böses will. Doch was Ina nicht weiß: Dem Regime ist das egal. Denn wer nicht nach dessen Regeln spielt, wird beobachtet und verfolgt. Die beiden treffen sich heimlich und bringen damit Lehrer und Eltern gegen sich auf. Doch so leicht lassen sie sich ihre Freundschaft nicht zerstören.

Authentisch und mitreißend erzählt

"Gertrude grenzenlos" ist ein großartiger Kinderroman und gleichzeitig ein gelungenes Debüt von Judith Burger. Hierin erzählt sie eine Kindergeschichte aus der DDR, wie sie sich tatsächlich hätte zutragen können. Ihre Charaktere sind fiktiv, doch der Strudel der Ereignisse, in den sie hineingezogen wurden, nicht. Sehr authentisch und mitreißend schildert sie den Kinderalltag eines jungen Mädchens, das zwischen Pionierveranstaltungen, Fahnenapell und Altpapiersammlungen aufwächst. Dabei fließen viele Themen mit ein: der sehnsüchtige Blick in den Westen, die Angst davor aufzufallen. Wir begegnen den neugierigen Nachbarn, denen man lieber nicht zu viel erzählte. Die Willkür der Lehrer, die ohne Konsequenzen einen Schüler schlechter benoten durften. Die mit zweierlei Maß beurteilten und deren Richtwert dabei allein die Systemtreue war.
Im Vordergrund steht natürlich die Freundschaft zwischen Ina und Gertrude. Beide Mädchen kommen aus verschiedenen Welten. Während Ina und ihre Mutter ein normales Leben führen und sich ins System einfügen, ist es bei Gertrudes Familie ganz anders. Sie haben den Wunsch nach Selbstbestimmung und wollen die DDR verlassen. Damit machen sie sich jedoch verdächtig und das Leben wird ihnen in allen Bereichen erschwert. Vor allem in der Schule bekommt das Gertrude sehr deutlich zu spüren. Das ist zwar ungerecht, aber sie weiß, dass sie nichts daran ändern kann. Ina weiß das noch nicht. Sie muss diese Lektion erst noch lernen. Und noch etwas müssen beide Mädchen lernen: Ihre Freundschaft stößt auf große Ablehnung. Doch davon lassen sich beide nicht beirren und wachsen sogar noch enger zusammen.
Alle diese großen Themen lässt Judith Burger gekonnt in ihr Kinderbuch einfließen. Sie wirft Fragen nach der Bedeutung der Freundschaft auf, und so mancher Leser wird sicherlich überlegen, wie man sich selbst in einer ähnlichen Situation verhalten hätte. Das Buch ist mitreißend, fesselnd und authentisch erzählt. Es unterhält einerseits und zeigt andererseits anhand einer Momentaufnahme auch, wie das Leben in der DDR für Kinder gewesen ist.

"Gertrude grenzenlos" ist zwar nur eine fiktive Erzählung, trotzdem hätte sie sich genauso zutragen können. Es ist die Geschichte zweier Mädchen aus der DDR, die beide aus völlig unterschiedlichen Welten stammen und daher das Leben in der DDR auch völlig anders wahrnehmen. Trotz aller Widerstände werden sie enge Freundinnen, die ihre Spuren hinterlassen. Ein großartiges Buch, das wir Lesern ab zehn Jahren nur empfehlen können.

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