Exit Sugartown

von Martin Petersen
Rezension von Janett Cernohuby | 09. April 2016

Exit Sugartown

Armut, Hunger, keine Hoffnung. Organisierte Schmuggler haben dank dieser Probleme einen eigenen Geschäftszweig entwickelt und lassen sich viel Geld dafür zahlen, diesen Menschen "aus der Not zu helfen". Sie pferchen diese Verzweifelten zu Dutzenden in LKWs und auf Boote und bringen sie  heimlich an die Küsten und über die Grenzen Europas. Das ist kein fiktives Szenario, so spielt es sich tagtäglich ab. Martin Petersen verarbeitete dieses aktuelle Thema in seinem Jugendroman "Exit Sugartown", welches uns zur Rezension vorliegt.

Dawn ist 17 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Charlie im Elendsviertel Sugartown. Zu Essen gibt es nie genug und auch der Vater findet immer seltener Arbeit. Dafür ist er immer öfter betrunken. Dawns Mutter näht für einen Hungerlohn, rettet somit die Familie aber vor dem Schlimmsten. Als sie stirbt, versucht Dawn ihre Arbeit weiterzuführen. Doch es reicht nicht aus und so muss auch ihr kleiner Bruder die Schule verlassen um in der Ziegelfabrik zu arbeiten. Hunger und Hoffnungslosigkeit nehmen immer mehr zu. Da trifft Dawn zwei junge Männer, in sauberer Kleidung und mit neuen Schuhen. Sie erzählen ihr von der "Weißen Welt", in der man mit Arbeit viel Geld machen kann. Sie können Dawn dorthin bringen, gegen ein paar tausend Dollar. Dawn willigt ein und begibt sich in die Hände gnadenloser Schlepper. Als sie ihren Fehler erkennt, ist es zu spät. Wieder muss sie fliehen, doch dieses Mal nicht vor Hunger, sondern vor Leuten, die vor nichts zurückschrecken…

"Exit Sugartown" ist ein gnadenlos erschütternder Roman vor einer topaktuellen Thematik. Sogar mehrere Schwerpunkte greift Autor Martin Petersen in seinem Buch auf. Er schildert die Aussichtslosigkeit der Menschen. Hunger und Verzweiflung stehen an der Tagesordnung, ohne Aussicht auf Verbesserung. Er erzählt von unbegleiteten Jugendlichen, die in Flüchtlingscamps aufgenommen werden und dann einfach verschwinden. Und er erzählt von Schleppern und ihrer skrupellosen Art, Menschen in andere Länder zu schmuggeln.
Der Name Sugartown für den Ort, an dem Dawn groß geworden ist, ist dabei ein Hohn, ein Spott für die Zustände, die wirklich vorherrschen. Die Menschen sind verzweifelt, so verzweifelt, dass sie sich sogar auf zwielichtige Gestalten einlassen.
Doch auch Dawns Name ist nicht ohne Grund gewählt. Denn sie will aus diesem tristen Dasein fliehen, neu anfangen, ein besseres Leben aufbauen. Dieser Wunsch treibt sie an, lässt sie die beschwerliche Flucht durchhalten. Sie verzweifelt nicht, wenngleich ihre Situation immer wieder an einen Punkt der Hoffnungslosigkeit gerät. Doch ihre Reise begann unter Lügen und falschen Versprechungen und so entwickelt sich auch ihr Leben in der "Weißen Welt" -  das Ende kann nur tragisch sein.
Martin Petersen erzählt ein authentisches Schicksal, wie es viele Migranten teilen. Er verzichtet nicht auf die Härte, zeichnet schonungslos ein Bild der Verzweiflung. Denn letztendlich steht diese Geschichte stellvertretend für zahlreiche Einzelschicksale, die sich ähnlich jeden Tag auf der Welt ereignen.
Der Schreibstil ist flüssig und fesselnd. Die Ereignisse halten den Leser gefangen, man möchte den weiteren Verlauf der Dinge erfahren und kann daher das Buch nur schwer zur Seite legen. Da die Geschichte in der Ich-Form geschrieben wurde, ist die Sprache, die Dawn führt, oftmals derb, grob und plump. Doch genau deswegen wirkt die Geschichte auch authentisch. Dennoch fehlt es dem Roman an Emotionen. Wenngleich der Autor natürlich die Lebensumstände in Sugartown, die Flucht mit den Schleppern und die Ankunft in diversen Auffanglagern glaubhaft schildert, bleiben die wahren Gefühle und Eindrücke Dawns oftmals oberflächlich. Man hat das Gefühl, das Mädchen durch eine Absperrung hindurch zu beobachten. Man kann ihr sehr nahe kommen, aber nie nah genug, um eine Verbindung zu ihr aufzubauen. So berührt und ergreift ihr Schicksal den Leser nicht, sondern bleibt eines von vielen anderen. Mit etwas mehr Feingefühlt, hätte man hier einen Charakter schaffen können, dessen Schicksal  zu Tränen rührt und zutiefst berührt.

"Exit Sugartown" ist ein authentisch erzähltes Flüchtlingsschicksal, das schonungslos die Härte von Schleppern und ihr Geschäft mit der Verzweiflung der Menschen vor Augen führt. Autor Martin Petersen greift ein Thema auf, das uns seit über einem Jahr begleitet und uns auch noch lange begleiten wird. Mit etwas mehr Emotionen in der Erzählung, hätte der Roman ein erschütterndes und ergreifendes Schicksal darstellen können. So ist es nur die fesselnde Geschichte eines 16-jährigen Mädchens, die davon träumt, ein besseres Leben ohne Hunger und Armut führen zu können.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2016
  • Umfang:
    288 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    14 Jahre
  • ISBN 13:
    9783791500072
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl: