Dunkelnacht

Antolin Quiz
von Kirsten Boie
Rezension von Janett Cernohuby | 19. April 2021

Dunkelnacht

Warten auf die erlösende Nachricht, sich Vorbereiten auf die Zeit danach, Hoffen auf eine Wendung zum Guten - in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 zählten viele Penzberger die letzten Tage, die letzten Stunden, bis die Amerikaner endlich kamen und den Frieden brachten. Bis sie die Schreckensherrschaft der Nazis und diesen furchtbaren Krieg endlich beendeten. Nicht mehr lange konnte es dauern, bis diese Erlösung endlich kam. Stunden…was sollte da noch passieren, was noch schiefgehen? Viel, wie die Menschen in Penzberg schmerzhaft erfahren mussten.

Ein Massaker

In Penzberg, einer Kleinstadt rund 50 Kilometer von München entfernt, sehnen die Menschen das Eintreffen der Amerikaner herbei. Ein Radioaufruf hat vom Ende des Krieges berichtet, davon durchzuhalten, denn die Befreiung, das Ende dieses unsäglichen Krieges, wäre nicht mehr weit. Und das tun die Menschen in Penzberg auch. Sie legen die weißen Bettlaken bereit, sie schließen sich zusammen, in der Hoffnung, dass nun bald alles besser wird. Dazwischen finden sich drei junge Menschen. Marie, die Tochter des Metzgers, die sich in Schorsch, den Sohn des Polizeichefs verliebt hat. Und er in sie. Und Gustl, in den Marie auch ein wenig verliebt ist, der sich jedoch der nationalsozialistischen Bewegung Werwolf angeschlossen hat. Und während Schorsch und Marie sehnsüchtig auf das Ende des Krieges durch die Amerikaner warten, ist Gustl noch immer vom Endsieg überzeugt. Dann kommt jener schicksalshafte Tag. Jener Tag, an dem eine Gruppe Penzberger schon glauben, der Frieden wäre gekommen, doch was kommt sind Wehrmachtssoldaten, die jene Männer verurteilen und erschießen. Doch das ist nur der Beginn der Mordnacht in Penzberg, in der der Werwolf noch viele weitere Menschen grausam in den Tod reißt.

Erschütterndes Zeitzeungis

Schonungslos und hart erzählt Kirsten Boie in „Dunkelnacht“ von den schrecklichen Ereignissen am 28. April 1945 in Penzberg. Sie beschönigt nichts, sie umschreibt nichts, sie erzählt hart und direkt, welches Drama sich zu einem Zeitpunkt ereignete, an dem der Frieden schon vor den Toren stand.
Es ist erschreckend, was die Autorin da berichtet. Wovon sie mit kurzen, knappen Sätzen, die einem Tagebuch entnommen sein könnten, erzählt. Sie macht die Sehnsucht nach Frieden und Befreiung deutlich. Sie umschreibt die Hoffnung auf und das Herbeisehnen des Kriegsendes. Sie bringt die Müdigkeit, die Düsternis, die Bestürzung, die Angst, das Grauen und die Verzweiflung mit ein. Die Wahl, jene vergangenen Ereignisse im Präsenz zu erzählen, macht das Buch nur umso beklemmender. Es scheint, alles geschähe noch einmal, alles würde man ein weiteres Mal erleben. Die Geschichte, die hier erzählt wird, hat sich so zugetragen. Das Grauen ist genauso passiert, wie Kirsten Boie in ihrer Novelle schreibt. Gerade dieses Wissen macht das Buch nur noch bedrückender, noch grauenvoller. Man erlebt diese Geschichte anders, intensiver und sie erreicht die Leserschaft viel stärker, als es eine fiktive Erzählung täte.
Die Leserin, der Leser wird in eine Zeit zurückversetzt, die längst vorbei ist, aber nicht vergessen werden darf. Wir erleben ein letztes, sinnloses Festhalten an falschen Werten und Ideologien. Wir sehen mit Entsetzen, wie einige Menschen noch immer den Lügen des Führers Glauben schenken und dafür gnadenlos morden. Menschen, die später sagen werden, dass ja alles ein Befehl war und sie nächst hätten dagegen tun können.
Wir sehen aber auch jene, die hoffen und gleichzeitig Angst haben. Angst, dass im letzten Moment doch noch etwas passiert, dass sich das Blatt noch einmal wendet. Und sie haben ja Recht mit dieser Angst, wie der Massenmord in jener Aprilnacht in Penzberg zeigt.

Was bleibt ist ein beklemmendes Gefühl, ist Erschütterung und der Wunsch, dass diese Schrecken niemals in Vergessenheit geraten. „Dunkelnacht“ trägt einen Teil dazu bei. Kirsten Boie hat hier eine Novelle geschrieben, die als Mahnmal gilt, die Zeitzeugnis ist und die auf berührende und zugleich verstörende Weise die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zeigt. Sogar noch zu einem Zeitpunkt, als er fast vorbei war.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    02/2021
  • Umfang:
    112 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    15 Jahre
  • ISBN 13:
    9783751200530
  • Preis (D):
    13,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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