Brigitte Endres im Interview

Beitrag von Janett Cernohuby | 16. Oktober 2011

Kolibris sind kleine, faszinierende Vögel. Mit ihren flinken Flügelschlägen können sie ganz ungewöhnliche Flugmanöver vollziehen – vielleicht ein Grund, warum sie den Menschen so schnell in ihren Bann gezogen haben. Eine andere Form der KoLiBris hat uns vor einiger Zeit in den Bann gezogen; die Jungmädchenbuchreihe der Autorin Brigitte Endres. Doch auch andere Werke aus ihrer Feder überzeugten uns, darunter der kürzlich erschiene Jugendroman 'Der letzte Werwolf'. Daher baten wir die Autorin um ein Interview.

Janetts Meinung: Seit einiger Zeit erobern die dunklen Wesen der Phantastik den Jugendbuchmarkt. Wie kamen Sie auf die Idee, einen Werwolf-Roman zu schreiben?

Brigitte Endres: Schauergeschichten gibt es seit Menschen erzählen. Der Schauerroman erlebte einen ersten Höhepunkt im 19. Jh., denken wir an E.T.A Hoffmann oder E. A. Poe. Die Fasziation liegt wohl darin, dass bspw. Vampire oder Werwölfe unserem eigenen Schatten eine Bühne verleihen. Werwölfe oder andere Wertiere gehören zum festen Personal der Weltmythen. Ich persönlich finde sie interessanter als Vampire, die in den letzten Jahren oftmals sehr verkitscht dargestellt wurden.

JM: Eine düstere Ballade eröffnet den Roman. Was hat Sie zu dieser inspiriert?

BE: Zunächst einmal musste ich ein Plotproblem lösen, es gibt eine lange Vorgeschichte, die zu Anfang angedeutet werden muss, da der Roman ja in der Jetztzeit beginnt. Die Ballade ist ein geheimnisvolles Versprechen, das den Leser in die Handlung hineinziehen soll. Die Form habe ich gewählt, weil ich schon als Kind gern Balladen gelesen habe. Uhland war dabei mein Favorit, deshalb heißt der fiktive Dichter meiner Ballade auch Ulandowitsch.

JM: Der Protagonist Dorian stammt aus einer anderen Epoche, was man nicht zuletzt an seiner veralteten Aussprache erkennen kann. War es für Sie schwer, Dorian bis zum Ende des Romans so sprechen zu lassen, wo doch die anderen beiden Hauptfiguren eine lockere Sprache führen?

BE: Tatsächlich war es nicht ganz leicht, in der Sprache des 18. Jh. authentisch und doch verständlich zu schreiben. Ich habe lange über die damaligen Sprachgewohnheiten recherchiert. In der Urfassung war der Sprachduktus noch zeitgerechter, doch befürchtete die Lektorin, die jungen Leser könnten Verständnisschwierigkeiten bekommen, so nahmen wir das etwas zurück. Auf jeden Fall wollte ich einen Pseudojargon vermeiden, wie man ihn oft in Fantasy- oder Historienromanen findet. Im 18. Jh. siezte man sich zum Beispiel in gehobenen Kreisen, und verwendetet längst nicht mehr die dritte Person in der Anrede.

JM: Als Leser schließt man Dorian und die beiden Geschwister Phil und Valentina sehr schnell in sein Herz. Gibt es einen Charakter, der Ihnen während des Schreibens besonders sympathisch geworden ist?

BE: Obwohl ich aus Phils und Valentinas Perspektive erzähle, war mit der feinsinnige Dorian besonders nah – aber auch der kleine Mischlingshund Herr Bozzi, der schwanzwedelnd um meinen Schreibtisch sprang.

JM: Autoren haben meist eine eigene Beziehung zu ihren Charakteren, die sich manchmal etwas anders entwickeln, als ursprünglich angedacht. Ist es Ihnen während des Schreibens geschehen, dass Ihnen ein Charakter auf der Nase herumgetanzt ist oder sich in eine völlig andere Richtung entwickelt hat?

BE:
Mittlerweile erlaube ich meinen Figuren keine großen Kapriolen mehr. Sie haben ihre kleinen Freiheiten, aber sie müssen im Großen und Ganzen meiner Regie folgen, sonst ruinieren sie den Plot. Das ist mir früher manchmal passiert und das war sehr lästig.

JM: Um Dorian zu schützen und den Fluch zu brechen, erleben die drei Teenager so manche mysteriöse Begebenheit. Gibt es eine Szene, die zu schreiben Ihnen besonders viel Freude bereitet hat?

BE: Die mystische Szene am Diana-Tempel vor dem Tag der Entscheidung, als Valentina erkennt, was sie für Dorian empfindet.

JM: 'Der letzte Werwolf' ist ja in sich abgeschlossen. Kann man zukünftig dennoch ähnliche Romane von Ihnen erwarten?

BE: Im Augenblick bin ich etwas romanmüde. Nach dem „Vermächtnis der Feen“ und dem Werwolf-Roman habe ich das Bedürfnis etwas innezuhalten. Ich möchte vermeiden, dass die Qualität meiner Texte leidet, wenn ich am Fließband schreibe. Es gibt zwar eine Idee zu einem fantastischen Roman, die auch schon weit elaboriert ist, aber ich habe noch nicht den passenden Verlag gefunden. Das ist mir momentan ganz recht, da ich so Zeit für kleinere pfiffige Texte habe, Bilderbuch, Radiobeiträge usw., die mir viel Freude machen. Daneben entsteht gerade der erste Band eine neue Kinderkrimiserie, der schon 2012 erscheinen wird.

JM: Welche Rolle spielten Bücher und Geschichten in Ihrer Kindheit?

BE: Eine wichtige Rolle. Ich wurde schon früh an Kinderliteratur herangeführt, vor allem durch meinen Großvater, der mir unendlich viel vorgelesen hat, Gedichte, Geschichten, oftmals aus dem 19. Jh. Meine Großmutter hat mir Märchen erzählt, schon als Vierjährige dachte ich mir selbst welche aus. Bücher waren meine ganze Kindheit hindurch tröstliche Rückzugsorte, die ich oft aufsuchte. Es gibt Bücher, die ich wieder und wieder gelesen habe. Mary Poppins zum Beispiel.

JM: Wann und wie haben Sie zum Schreiben gefunden? Warum haben Sie sich für Kinder- und Jugendliteratur entschieden?

BE:
Wie schon gesagt, habe ich früh damit begonnen zu fabulieren. Als ich endlich selbst schreiben konnte, kritzelte ich dicke Hefte mit Märchen voll. Die wunderbaren Bücher meiner Kindheit haben mich sicher tiefer geprägt als alle Literatur, die ich später gelesen habe. In den Jahren, die ich als Grundschullehrerin tätig war, begann ich für meine Schulkinder zu schreiben. Die Kinder hatten Spaß – und so war der Anfang gemacht.

JM: Wie sammeln Sie Inspirationen für Geschichten? Gibt es einen speziellen Ort, an den Sie sich zurückziehen oder benutzen Sie besondere Hilfsmittel?

BE:
Inspiration ist ein kapriziöses Vögelchen. Oft schwirrt es oft um meinen Kopf herum. Aber es huscht vorbei, wenn ich es nicht sofort einfange. Dann gibt es Tage, da lässt es sich nicht blicken. Also muss man bevorraten. Darum notiere ich jeden Gedankenblitz umgehend, auch nachts. Immer liegen Papier und Bleistift parat. Ab und zu sortiere ich die Ideen in Dateischubladen in meinen PC ein. Einen speziellen Ort gibt es nicht, aber in Zeiten vor dem Einschlafen oder nach dem Aufwachen lässt sich der Vogel am besten fangen.

JM: Gibt es Vorbilder, die Ihre Arbeit beeinflussen?

BE: Zweifelsohne. Nicht was wir tun ist ohne Vorbild. Bei mir sind es Autoren, die eine unverkennbar eigene Sprache sprechen, zum Beispiel: Lindgren, Ende, Preußler, Funke, Maar und etliche andere.

JM: Gibt es ein Genre oder Thema, zu dem Sie schon immer etwas schreiben wollten und wozu Sie sich noch nicht durchringen konnten?

BE: Eigentlich nicht. Was mir nicht sehr liegt, sind schwere Themen und Brutalitäten, ich leide einfach zu sehr mit. Da ich vom Bilderbuch bis zum Jugendroman für alle Altersklassen schreibe, ist meine Arbeit sehr vielseitig. Die Kinderseelen in uns Erwachsenen greifen heute gern auch zum Jugendroman, sodass sich meine Leserschaft, was die Romane angeht, um diese Altersgruppe erweitert, ohne dass ich das Genre wechseln muss.

JM: Wie sehen Ihre weiteren Pläne und Projekte aus?

BE: Momentan arbeite ich bestehende Verträge ab, u. a. die erwähnte Kinderkrimiserie. Der Fokus wird zunächst auf kürzeren Texten liegen, bei denen ich meine Lust am Spiel mit der Sprache besser austoben kann. Aber sicher kommt irgendwann auch wieder ein Roman.

JK: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrem neuen Roman und sind auch schon gespannt auf weitere Veröffentlichungen.

Brigitte Endres im Interview