Zeilen ans Meer

von Sarah Fischer
Rezension von Emilia Engel | 02. April 2019

Zeilen ans Meer

Einen Brief zu schreiben ist etwas ganz besonderes. Sich die Worte zurechtlegen, die man weitergeben möchte, darüber nachzudenken und sich vielleicht für ein anderes Wort entscheiden, eines das besser passt. Einen Brief zu schreiben ist fast so etwas wie eine Therapie, denn nirgendwo sonst fällt es einem so leicht, sein Innerstes preiszugeben und sein Herz so offen darzulegen. Genauso geht es Sam und Lena, zwei Fremden, die sich durch Zufall gefunden haben und in ihren Briefen über Dinge schreiben, die sie sonst niemanden verraten würden.

Sechzehn Jahre ist es her, seit die damals neunzehnjährige Lena die Flaschenpost mit einem Brief an den Ozean an Australiens Küsten in das Meer geworfen hat. Es war als Abschied gedacht nach einem Auslandsjahr in Australien. Mit einer Antwort hat sie schon lange nicht mehr gerechnet. Doch eines Tages geschieht genau das - ein Brief landet in ihrem Postkasten in München. Sie kann es zuerst kaum glauben, nach all den Jahren einen Brief aus dem fernen Australien zu erhalten.
Sam, der die Flaschenpost beim Joggen am Strand gefunden hat, antwortet Lena und schreibt ihr, wie bewegt er von Lenas Worten an den Ozean ist.
So entspinnt sich eine ungewöhnliche Brieffreundschaft. Ganz altmodisch, denn so ein Brief ist schon einzigartig - da kann keine eMail oder SMS mithalten. Schon bald sehnen sie sich nach den Briefen des anderen. In die Vorfreude und Ungeduld beim Warten mischen sich alsbald erste Gefühle von Schmetterlingen im Bauch und eine zaghafte Verliebtheit. Sie erzählen sich von ihrem Leben, wie alles anders kam, als man es sich vielleicht mit neunzehn vorgestellt hat. Lena ist Mutter geworden und hat ihren Traum, die Musik, an den Nagel gehängt. Sam ist ein leidenschaftlicher Surfer und er leidet noch schwer an einem großen Verlust. Beide hegen eine große Leidenschaft für Bücher und das ist sicher ein Grund warum diese Briefe so ans Herz gehen, denn Sam und Lena haben ein gutes Gespür für Worte. Mit ihren Briefen schaffen sie es sich gegenseitig wieder mehr Freude ins Leben zu zaubern. Doch kann aus einer Brieffreundschaft wirklich mehr werden? Über eine solche Distanz hinweg, kann die Liebe da einen Weg finden? Wie viel Hindernisse kann die Liebe ertragen?

“Zeilen ans Meer” ist ein berührendes Buch über zwei Menschen, die sich in einer trostlosen Phase ihres Lebens gefunden haben. Mit ihren zu Wort und auf Papier gebrachten Gedanken und Gefühlen, spenden sie einander Freude und Trost. Es ist eine Geschichte, in die man sich so gut hineinfühlen kann, weil sie so authentisch ist. Der erste Brief, der neunzehnjährigen Lena, ist so voller Freude, Hoffnung und Leidenschaft. Kein Wunder, dass Sam von diesen Worten sofort verzaubert ist - da es sich auch um eine Hommage an seinen geliebten Ozean handelt.
Es ist eine wundervolle Idee, dass sich beide Protagonisten Briefe schreiben, denn nur die finden wir in diesem Buch. So ein Brief von Australien nach München und umgekehrt kann schon mal zwei Wochen dauern. Man merkt die Ungeduld aber auch die Vorfreude in den Briefen. Eine Brieffreundschaft wäre per SMS, eMail oder WhatsApp nicht möglich gewesen und bei weitem nicht so schön geworden. Man kann sich richtig hineinversetzen in die Verliebtheit der beiden und wie furchtbar die räumliche Trennung sein muss. Das Buch ist allerdings auch kein Heile-Welt-Roman. Es gibt einige Startschwierigkeiten, viele Hindernisse durch den ganzen Verlauf der Handlung und immer wieder die Zweifel und Ängste der beiden Briefeschreiber. Zweifel und Ängste, die man als Leser wirklich gut nachempfinden kann. Als Mutter einer sechsjährigen Tochter kann man einfach nicht Hals über Kopf nach Australien stürmen, aber auch Sam kann nicht alles stehen und liegen lassen. Mit viel Spannung und Erwartung blättert man beim Lesen weiter, da man sich so sehr ein Happy End wünscht, auch wenn man nicht weiß, wie dieses aussehen könnte.

Für alle die gern gefühlsstarke Bücher lesen und miterleben wollen wie zwei Herzen zueinander finden, mit allen Höhen und Tiefen, ist “Zeilen ans Meer” von Sarah Fischer genau das richtige Buch. Die Briefe sind schön geschrieben, lesen sich flüssig und schnell und haben oft wunderschöne Beschreibungen von Orten, vor allem vom Meer. Eindeutig eines jener Bücher, die man nicht weglegen kann bevor man weiß, die wie Liebesgeschichte ausgeht!

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