Der Stoff, aus dem Träume sind

von Jana Stieler
Rezension von Janett Cernohuby | 16. November 2018

Der Stoff, aus dem Träume sind

Zwei völlig unterschiedliche Zeiten, zwei völlig unterschiedliche Personen und Lebensläufe, und dennoch verbindet sie auch etwas. Jana Stieler erzählt in ihrem Roman „Der Stoff aus dem Träume sind“ von zwei Frauen, auf die genau das zutrifft. Die sich nicht kannten und die der Zufall zusammenbrachte.

Zwei Frauen aus zwei Schicksalen

Vivian ist alleinerziehende Mutter und hält sich mit zwei Aushilfsjobs gerade so über Wasser. Ihr Job in einem Second-Hand-Laden lässt sie mit der älteren Grande Dame der Modewelt zusammentreffen. Es ist zunächst keine sehr glückliche Begegnung, denn aufgrund Vivians Unachtsamkeit erleidet Dame Claire einen Autounfall. Von Schuldgefühlen gequält, besucht Vivian Claire regelmäßig im Krankenhaus. Da ist etwas zwischen den Frauen, etwas, dass Claire in Vivian erkennt, weswegen sie der alleinerziehenden Mutter nach und nach ihre Lebensgeschichte anvertraut. Eine Geschichte, die ihren Anfang auf den nördlichen Hebriden-Inseln nimmt und die im London der Nachkriegszeit weitergeführt wird. Claire muss viele Schicksalsschläge erdulden, erträgt harte Lektionen in der Schule des Lebens und schafft es schließlich, ihren Platz in der Modewelt zu finden. Durch ihre Lebensgeschichte erinnert sie Vivian daran, dass auch sie Träume hat, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Kraftvolle Geschichte

Jana Stieler erzählt in ihrem Roman von zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber dennoch auch sehr viel gemeinsam haben: eigene Träume, Wünsche, Fehler und einen Lebensweg, der sie stark geprägt hat. Sehr kraftvoll erzählt die Autorin zwei Lebenswege, die zu völlig unterschiedlichen Zeiten ihren Anfang nahmen. Die eine, Claire, wuchs auf den Hebriden und später im Nachkriegs-London auf. Ihre Kindheit war geprägt von Entbehrung, von Gewalt und Hass, aber auch von der innigen Liebe zu ihrem Großvater und später ihrem kleinen Bruder. Trotzdem sind die Schicksalsschläge nicht spurlos an ihr vorbeigegangen, sondern haben sie zu einer harten, gefühlskalten Frau werden lassen. So scheint es zumindest. Je mehr man aber über sie erfährt, desto besser kann man auch verstehen, warum Claire so wurde.
Anders war es bei Vivian. Auch sie hatte eine schwere Kindheit, sie und ihr Vater wurden von der Mutter im Stich gelassen. Ein abgebrochenes Psychologie Studium, hochschwanger vom Freund sitzen gelassen, hat sie sich bisher durchs Leben gekämpft. Oder eher gewurstelt. Bis sie auf Claire trifft, die sie mit ihrer Lebensgeschichte, mit ihrer einnehmenden, fast bestimmenden Art wieder daran erinnert, dass auch sie, Vivian, einst Träume und Wünsche hatte.
Wunderbar erzählt Jana Stieler die Geschichte zweier Frauen und verwebt deren Lebensgeschichte miteinander. Sie passen genauso zusammen, wie das Designerkleid aus Seide und der Tweedstoff den Clarie einst in selbiges einnähte. Gänzlich gegensätzlich und doch einander ergänzend. Farbenreich und wortgewaltig beschreibt sie die Ereignisse, die in zwei Handlungssträngen erzählt werden. Einmal der Blick in die Vergangenheit, einmal das Hier und Jetzt. Beide werden zu einer gefühlvollen, fesselnden Geschichte vereint, die man nicht mehr aus der Hand legen kann. Wobei hier der Teil aus Claires Leben eindeutig emotionaler und fesselnder scheint. Nach jedem Perspektivenwechsel zurück in die Gegenwart verspürt man den Wunsch, einfach vorzublättern, um zu erfahren, wie es mit Claire weitergeht. Vivians Geschichte erscheint da manchmal störend, wobei auch sie ihre Reize, ihre Spannung hat. Dennoch, es ist Claires Schicksal, dass den Leser fesselt und Seite um Seite weiterlesen lässt.

„Der Stoff aus dem Träume sind“ ist mehr, als nur die Geschichte zweier Frauen, deren Leben alles andere als ein Zuckerschlecken war. Die Schicksalsschläge haben einstecken müssen, aber unter ihnen dennoch nicht zerbrochen sind. Doch eine jede der beiden Protagonistinnen hat anders reagiert und anders weitergemacht. Das Buch fesselt den Leser mit einer kraftvollen und gefühlvollen Geschichte.

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